
Selbstständige und mittelständische Unternehmer sind häufig als Eigentümer oder Investoren am Immobilienmarkt aktiv, ganz gleich, ob es dabei um betrieblich genutzte Grundstücke, Investments zur Anlage von Firmengeldern oder zur privaten Altersvorsorge oder selbst genutzten Eigentumswohnungen oder Häuser geht. Erst recht gilt dies für jene, deren Unternehmen einen immobilienwirtschaftlichen Geschäftszweck verfolgt, wie beispielsweise Immobilienprojektentwicklungen oder das Bewirtschaften von Wohn- oder Gewerbeimmobilienportfolios. Sie alle sind derzeit mit einem Paradigmenwechsel an den Immobilienmärkten konfrontiert, dessen Umfang und Auswirkungen oft noch massiv unterschätzt werden. Im Kern geht es dabei um die Rolle der Energieeffizienz bei der Bewertung von Gebäuden und die Berücksichtigung entsprechender Investitionen, sei es in immobilienwirtschaftlichen Businessplänen oder bei der Kalkulation privater Investments.
Differenzierte Preisentwicklungen nach dem Ende des Immobilienbooms 2022/23
Dass das Thema Energieeffizienz bei Immobilien inzwischen ein entscheidender Einflussfaktor für deren Wertentwicklung geworden ist, zeigt ein Blick auf die Entwicklungen an den deutschen Immobilienmärkten in den Jahren 2022 und 2023. Spätestens mit dem Ende der jahrelangen Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) im Sommer 2022 zeichnete sich ab, dass der mehrjährige Boom an den Immobilienmärkten nicht länger anhalten würde. Vor allem im Laufe des Jahres 2023 waren dann deutliche Preisrückgänge zu verzeichnen. Bei Wohnimmobilien registrierten Marktbeobachter sogar den stärksten Preisverfall seit sechzig Jahren, und bei Immobilien anderer Nutzungsarten kam es ebenfalls zu signifikanten Wertverlusten. Aufgrund der massiven Preissteigerungen für Bauleistungen und Material bei gleichzeitiger Verteuerung der Finanzierungen und massiver Zurückhaltung potenzieller Käufer wurden zahlreiche in Planung oder im Bau befindliche Neubauprojekte gestoppt oder zumindest verschoben. Etliche Immobilieninvestoren mit hohem Verschuldungsgrad und geringer Eigenkapitalbasis sowie zahlreiche Projektentwickler gerieten in wirtschaftliche Schwierigkeiten, und der Bedarf an Restrukturierungsberatung und Sanierung von „notleidenden“ Immobilienprojekten nahm deutlich zu. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass keineswegs alle Immobilien gleichermaßen von Wertverlusten betroffen waren. So konstatierte beispielsweise das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, dass energieeffiziente Häuser weniger an Wert verloren als solche, die eine geringe Energieeffizienz aufwiesen und somit einen hohen Sanierungsbedarf vermuten ließen. „Klassische“ Einflussfaktoren wie die Lage in einem nachfragestarken Teilmarkt oder die Aussicht auf steigende Mieterträge behalten natürlich weiterhin ihre Relevanz, nunmehr jedoch im Zusammenwirken mit dem Faktor Energieeffizienz.
Ignorieren und Verdrängen sind keine Strategie
Wer Immobilien besitzt oder demnächst erwerben möchte, sollte das Thema keineswegs ignorieren oder verdrängen, auch wenn die Materie komplex ist. Sinnvoll ist in jedem Fall eine Bestandsaufnahme: Inwieweit liegen überhaupt alle notwendigen Daten zur Beurteilung der Energieeffizienz vor? Welche Gebäude im Portfolio haben energetischen Sanierungsbedarf? Welche Szenarien zur energetischen Ertüchtigung kämen infrage und mit welchen Kosten wären sie verbunden? Dabei reicht das Spektrum der Möglichkeiten von der Erneuerung der Heizung über klassische Wärmedämmung an der Fassade bis hin zur Nutzung von Smart-Building-Technologien im Sinne der Nachhaltigkeit. Zugleich sollte festgelegt werden, welche Energieeffizienz-Kriterien bei künftigen Immobilienkäufen erfüllt sein müssen, um möglichst langfristig wertstabile Objekte zu erwerben. Es sei an dieser Stelle nicht verschwiegen, dass sich die genauen wirtschaftlichen Auswirkungen einzelner Maßnahmen oft nicht abschließend beurteilen lassen, weil beispielsweise staatliche Förderungen ineffizient oder bürokratisch ausgestaltet sind oder Fördermittel nicht in ausreichenden Größenordnungen verfügbar sind. Dennoch ist es sinnvoll, sich mit bereits verfügbaren und in der Praxis erprobten Lösungen zur Erhöhung der Energieeffizienz von Immobilien auseinanderzusetzen und diese dort, wo es möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, zu übernehmen. Denn jede einzelne dieser Maßnahmen kann dazu beitragen, den Wert der betreffenden Immobilie langfristig zu sichern.