Der Pressesprecher der SPD-Bundestagsfraktion Hannes Schwarz teilt mit:
Die SPD-Bundestagsfraktion hat in ihrer heutigen Sitzung folgende Erklaerung beschlossen:
„Erklaerung zu den Beratungen ueber weitere Massnahmen zur Sicherung der Stabilitaet in Europa („Schutzschirm fuer Europa“)
Die Eurozone ist in eine dramatische Krise geraten. Es ist mehr denn je notwendig, die Finanzstabilitaet im Euroraum als Ganzes zu sichern und erheblichen Schaden auch von Deutschland abzuwenden. Der Euro ist die europaeische Antwort auf das globale Zeitalter, und wir Deutsche profitieren besonders davon.
Deutschland braucht den Euro – ebenso wie Europa.
Wir wissen: In der gegenwaertigen Schuldenkrise und angesichts aggressiver Spekulationsattacken gegen den Euro ist entschlossenes politisches Handeln geboten, das Vertrauen und Sicherheit wieder herstellt. Es geht heute nicht mehr nur um das Vertrauen in die Funktionsfaehigkeit der Maerkte, es geht um das Vertrauen in den Staat selbst. Wir sind gefordert, die Integritaet der europaeischen Waehrungsunion und die Handlungsfaehigkeit der EU unter Beweis zu stellen. Der Ausgangspunkt fuer die jetzige Krisenwelle liegt darin, dass Staaten weltweit, auch und gerade im Euro-Waehrungsgebiet, zur Bekaempfung der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise teils enorme staatliche Defizite aufgehaeuft haben.
Verschaerfend kommen Spekulationen auf die Zahlungsunfaehigkeit einzelner Euro-Laender hinzu. Griechenland hat sich nun in einer herausragenden Anstrengung zu einem Konsolidierungsprogramm verpflichtet, um auf den Weg solider Staatsfinanzen zurueckzukehren. Die Herausforderung betrifft aber nicht Griechenland allein – den Weg zur finanziellen Konsolidierung und zu strukturellen Reformen muessen alle Euro-Staaten entschlossen gehen. Dazu gehoert auch die Entwicklung einer nachhaltigen Europaeischen Wachstumsstrategie.
Ein glaubwuerdiger Pfad zum schrittweisen Abbau der Schuldenprobleme in den betroffenen Eurostaaten muss daher drei Elemente umfassen:
– die in den Konditionen des Rettungspakets enthaltenen strukturellen Anpassungen zur Verbesserung der
Wettbewerbsfaehigkeit;- gezielte Einnahmeverbesserungen, insbesondere dort, wo bisher die Steuersaetze bzw. der Steuervollzug markant vom sonstigen europaeischen Gefuege
abweichen;- ein Mechanismus zur Beteiligung der Glaeubiger (z.B.
durch Zinsanpassungen o.a.), die die Schuldnerlaender unmittelbar entlastet.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat in ihrem Entschliessungsantrag vom 6. Mai 2010 betont: Eine reine Kreditermaechtigung fuer Griechenland allein reicht nicht aus, damit Vertrauen zurueckkehrt. Niemand darf jetzt aus der Verantwortung entlassen werden. Die Konsolidierung kann nicht gelingen ohne eine effektive Beteiligung der Finanzmarktakteure. Wir brauchen wirksame Schritte gegen die Spekulation. Wir fordern eine bessere Koordinierung der Finanz- und Wirtschaftspolitik in der Europaeischen Union, ergaenzt um einen Fruehwarnmechanismus fuer Krisen mit moeglicherweise systemischen Auswirkungen. Wir wollen die Europaeische Union in die Lage versetzen, kuenftige Krisen rasch und selbststaendig zu loesen. Dazu haben wir die Entwicklung eines Nothilfeplans gefordert, der wirksame Instrumente enthalten muss, um ueberschuldete Staaten einem geordneten und raschen Restrukturierungsverfahren zuzufuehren.
Die Bundesregierung hat noch am 7. Mai 2010, wenige Stunden vor dem erneuten Krisen-Treffen der europaeischen Staats- und Regierungschefs, bei der Beschlussfassung ueber das Rettungspaket fuer Griechenland im Deutschen Bundestag nichts verlauten lassen ueber die unmittelbar bevorstehende Notwendigkeit weiterer dramatischer Schritte und finanzieller Garantien mit vielfach hoeheren Betraegen und moeglichen Risiken fuer die deutschen Steuerzahler. Dies laesst nur zwei Schluesse
zu: Entweder hat die Bundesregierung die Oeffentlichkeit bewusst getaeuscht. Oder sie ist unvorbereitet in die Verhandlungen in Bruessel gegangen und wurde von den Ereignissen ueberrollt.
Damit findet die ueber Monate hinweg praktizierte, vollkommen verantwortungslose Verschleppung von Entscheidungen und Verweigerung von Informationen gegenueber Parlament und Oeffentlichkeit ihren vorlaeufigen Hoehepunkt. Bundesregierung und Regierungsfraktionen verletzen ihre Pflicht, alles dafuer zu tun, dass die Nothilfe zur Stabilisierung des Euro durch eine breite Mehrheit getragen wird und Akzeptanz in der deutschen Bevoelkerung findet. Alle weiteren politischen Schritte muessen unverzueglich begleitet sein von einer grundlegenden Veraenderung der Informationspolitik und des Krisenmanagements.
Die Bundesregierung muss vor dem Deutschen Bundestag nach bestem Wissen Rechenschaft ablegen und lueckenlos alle erforderlichen Informationen uebermitteln, die eine Einschaetzung von finanziellen Risiken, aber auch von noch offenen Fragen, die mit den neuen Verpflichtungen verbunden sind, ermoeglichen.
1. Die SPD-Bundestagsfraktion begruesst die Erklaerung der Finanzminister im Rat der Europaeischen Union (ECOFIN) vom 10.
Mai 2010, weitere Massnahmen zu ergreifen, um die finanzielle Stabilitaet in Europa zu sichern. Rat und Kommission haben sich verstaendigt, nachdruecklich zusaetzliche und signifikante Konsolidierungsmassnahmen in den Jahren 2010 und 2011 anzustreben und – beginnend mit Massnahmen fuer Spanien und Portugal – dem ECOFIN am 18. Mai 2010 vorzustellen. Dabei geht es nicht nur um nachhaltige finanzielle Stabilitaet, sondern auch um Unterstuetzung zusaetzlichen Wirtschaftswachstums.
Entscheidend wird aber sein, dass sich alle Staaten des Euro-Raums ueber wirksame Konsolidierungsmassnahmen verstaendigen.2. Wir begruessen, dass ein „Europaeischer Stabilisierungs-Mechanismus“ eingefuehrt werden soll. Bislang ist bekannt, dass in einem ersten Schritt die EU-Kommission finanzielle Mittel von bis zu 60 Milliarden Euro bereitstellen wird, die an strenge Auflagen und Bedingungen geknuepft werden, die denen des Internationalen Waehrungsfonds (IWF) vergleichbar sein sollen. Darueber hinaus sollen die Mitgliedstaaten des Euro-Raums ueber eine Zweckgesellschaft bis zu weiteren 440 Milliarden Euro garantieren, und auch der IWF soll einen weiteren Beitrag in Hoehe von etwa der Haelfte dieser Summe leisten. In einem dritten Schritt soll die Europaeische Zentralbank (EZB) mit einbezogen werden. Mit diesen Massnahmen wird ein wichtiger und im Grundsatz richtiger Weg auch hin zu einem europaeischen Nothilfeplan beschritten. Zahlreiche Einzelheiten der Vorschlaege sind jedoch noch nicht bekannt, viele Fragen unbeantwortet. Wir fordern die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen mit Nachdruck auf, ohne weitere Verzoegerungen die europaeischen Vorschlaege, insbesondere auch deren Umsetzung in Deutschland, zu praezisieren. Wir erwarten dabei rueckhaltlose Offenheit, damit verlorenes Vertrauen wiederkehren kann.3. Wir haben klargestellt: Um kuenftige Krisen zu verhindern, ist erforderlich, ihre Ursachen entschlossen und rasch zu bekaempfen. Daher begruessen wir die Erklaerung des ECOFIN, mehr und bessere Regulierung und Aufsicht sei notwendig, insbesondere auf dem Markt fuer Finanzderivate und bei der Rolle von Ratingagenturen. Es ist eine zwingende Forderung, dass die Bundesregierung umgehend, moeglichst schon zum 1. Juli 2010, spekulative Geschaefte mit Kreditausfallversicherungen und Leerverkaeufe verbietet. Ebenso zwingend brauchen wir eine Regulierung des „Grauen Kapitalmarktes“ sowie eine europaeische Ratingagentur. Die Entwicklungen des vergangenen Wochenendes zeigen in dramatischer Klarheit, wie leichtfertig CDU, CSU und FDP unsere Forderungen abgelehnt haben und wie dringlich es ist, an die Wurzeln der Krise zu gehen. Wir werden unsere Vorschlaege im Lichte des Volumens und der Tragweite des nun vorgeschlagenen Nothilfeplans nochmals aktualisieren.4. Jeder Fortschritt in der Krisenbekaempfung und -bewaeltigung wird nur erfolgreich und nachhaltig sein, wenn der Finanzsektor beteiligt und zur Verantwortung gezogen wird. Wir begruessen, dass die Notwendigkeit betont wird, den Finanzsektor in Zukunft zum Beispiel ueber eine „Stabilitaetsabgabe“ an den Kosten einer Krise zu beteiligen. Insbesondere unterstreichen wir die Verstaendigung, die Moeglichkeit einer Finanztransaktionssteuer zu pruefen, die mittlerweile auch von wichtigen Teilen der deutschen Kreditwirtschaft (u. a. dem Deutschen Sparkassen- und
Giroverband) befuerwortet wird. Deutschland muss wieder Vorreiter in Europa sein, Auch der IWF betont, dass zahlreiche G-20-Staaten bereits verschiedene Finanztransaktionen besteuern.
Wir erwarten dazu konkrete Initiativen der Bundesregierung. Wir bekraeftigen daher unsere Forderung, eine Finanztransaktionssteuer einzufuehren, um die substanzielle und dauerhafte Beteiligung des Finanzsektors besonders an der Finanzierung oeffentlicher Aufgaben, aber auch an der Bewaeltigung von Krisenkosten sicherzustellen. Wir betonen, dass eine europaeische Finanztransaktionssteuer geeignet ist, kurzfristige und sehr kurzfristige spekulative Geschaefte einzuschraenken.Ueber eine Finanztransaktionsteuer hinaus bekraeftigen wir unser Ziel, in Zukunft auch die Glaeubiger eines Staates, der in Not geraet, an dessen Rettung zu beteiligen. Der neue europaeische Nothilfeplan muss hierfuer ein geeignetes Instrument vorsehen. Wir plaedieren dafuer, dass unter Fuehrung der EZB mit Banken und Investoren, die Staatsanleihen des betroffenen Staates halten, jeweils Verhandlungen aufzunehmen sind, um eine Beteiligung an den Kosten einer jeweiligen Rettungsmassnahme zu erreichen. Ziel dieser Verhandlungen ist, nicht laenger gerechtfertigte Risikoaufschlaege bei den vereinbarten Anleihezinsen aufgrund des durch staatliche Rettungsmassnahmen dann wegfallenden Risikos zurueckzunehmen.
Die Chance, nachhaltige Verbesserungen fuer die Stabilitaet der gemeinsamen Waehrung, aber auch einen politischen Neuanfang fuer den Zusammenhalt der Europaeischen Union zu erreichen, ist jetzt da. Wir muessen diese Chance entschlossen ergreifen und nutzen.“
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