Muss sich der Arbeitgeber aktiv um eine
Urlaubsgewährung kümmern, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag
stellt? Und können sich Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers noch
bestehende Urlaubsansprüche auszahlen lassen? Beide Fragen bejahte
der Europäische Gerichtshof heute. Prof. Dr. Michael Fuhlrott,
Arbeitsrechtler und Professor an der Hochschule Fresenius in Hamburg,
ordnet die Entscheidungen ein.
Der Urlaubsanspruch ergibt sich einerseits aus dem
Bundesurlaubsgesetz, ist aber andererseits auch in der europäischen
Arbeitszeitrichtlinie RL 2003/88/EG definiert. Bei einer
Fünf-Tage-Woche müssen einem vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer je
Jahr 20 Urlaubsstage zustehen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH)
sieht in diesem Urlaubsanspruch einen besonders bedeutsamen Grundsatz
des Gemeinschaftsrechts. Das deutsche Bundesarbeitsgericht (BAG)
tendiert eher dahin, hierin einen persönlichen Anspruch des einzelnen
Arbeitnehmers zu sehen. Mit vier Entscheidungen in zwei deutschen
Parallelfällen hat der EuGH heute dem BAG weitere Vorgaben zur
Auslegung des Urlaubsrechts gemacht.
Urlaubsabgeltung auch für Erben
In den Rechtssachen C-569/16 (Bauer) und C-570/16 (Wilmeroth)
klagten zwei Witwen auf Urlaubsabgeltung für nicht genommenen Urlaub
ihrer im laufenden Arbeitsverhältnis verstorbenen Ehemänner. Sie
argumentierten, ihre Ehemänner hätten zum Todeszeitpunkt noch
Urlaubsansprüche gehabt. Diese hätten sich mit der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses in einen finanziellen Abgeltungsanspruch
umgewandelt. Sie als Erbinnen könnten daher deren Auszahlung vom
Arbeitgeber verlangen. Zu Recht, wie der EuGH heute entschied.
Nationale erbrechtliche Vorschriften stünden dem nicht entgegen. „Der
EuGH legt ein teilweise anderes Verständnis von Urlaub zugrunde als
die deutschen Arbeitsgerichte. Der EuGH sieht in dem Urlaubsanspruch
einen „normalen“ Anspruch, dessen Abgeltung ohne weiteres vererbt
werden kann. Überraschend kam die Entscheidung nicht, da der EuGH in
der Vergangenheit stets die Bedeutung des Urlaubsanspruchs betont
hatte“, so Fuhlrott.
Arbeitgeber zur Urlaubsgewährung verpflichtet
Mit zwei weiteren Urteilen (C-619/16, Kreuziger und C-684/16,
Max-Planck-Gesellschaft) entschied der EuGH, dass ein
Urlaubs-abgeltungsanspruch auch dann entstehen kann, wenn der
Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und noch
Urlaubsansprüche „offen“ sind. Geklagt hatten ein Rechtsreferendar
und ein Angestellter auf Urlaubsauszahlung. Nach deutschem Recht ist
eine Auszahlung des Urlaubs nur möglich, wenn der Arbeitnehmer aus
betrieblichen Gründen seinen Urlaub nicht nehmen konnte oder erkrankt
war. Der EuGH stellte heute auch insoweit klar, dass sich der
Arbeitgeber aktiv darum kümmern müsse, dass der Urlaub beantragt und
gewährt werde. Tut der Arbeitgeber dies nicht, kann der Arbeitnehmer
die Abgeltung verlangen. „Das Urteil wird viele Arbeitgeber dazu
veranlassen, die bisherige Urlaubspraxis zu hinterfragen. Arbeitgeber
werden ihre Mitarbeiter womöglich künftig bereits zu Jahresbeginn
verpflichten, die Urlaubszeiten festzulegen“, so Fuhlrott. „Kümmert
sich der Arbeitgeber nicht ausreichend darum, dass der Urlaub
genommen wird, ist er künftig auszuzahlen – auch wenn betriebliche
Gründe einer Gewährung nicht entgegengestanden hätten“, so Fuhlrott
weiter.
Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht an der
Hochschule Fresenius sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner
bei der Kanzlei FHM – Fuhlrott Hiéramente & von der Meden
Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Hamburg.
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