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F.A.Z. – Röttgen: Ohne Klimapolitik keine stabile Weltordnung
Vor dem zweiten „Petersberger Klimadialog“, zu dem sich Klimaexperten aus 35
Ländern am Sonntag und Montag in Berlin treffen, hat Bundesumweltminister
Norbert Röttgen (CDU) davor gewarnt, die Bedeutung des  UN-Klimagipfels in
Durban Ende November zu unterschätzen. Wenn es nicht gelinge, den Klimawandel
bei steigender Weltbevölkerung in den Griff zu bekommen, drohe „eine Welt der
durch Hunger und Armut ausgelösten Flüchtlingsströme, eine Welt wachsender
politischer Extremismen, eine Welt der globalen, aber auch lokalen
Instabilitäten und Unsicherheiten“, schreibt Röttgen in einem Beitrag für die
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Samstagsausgabe). Ohne wirksamen Klimaschutz
sei deshalb eine stabile Weltordnung nicht mehr denkbar. Klimapolitik sei
deshalb „Weltordnungspolitik“.
Klimaschutz im 21. Jahrhundert werde nur gelingen, schreibt Röttgen, wenn er mit
wirtschaftlichem Wachstum verbunden sei. Der Einstieg in die erneuerbaren
Energien und in eine Strategie der Energieeffizienz ist dafür die beste
Strategie. Ein konkretes Ziel für die Konferenz in Durban müsse sein, die
Ergebnisse von Cancun jetzt auch zu implementieren.
Der vollständige Beitrag:
Vor kurzem bin ich auf einer Konferenz nach einer meiner größten politischen
Enttäuschungen gefragt worden. Ich habe geantwortet: Der Ausgang der
internationalen Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009. Vielleicht lag es
daran, dass ich damals erst seit kurzem im Amt war und dementsprechend zu hohe
Erwartungen hatte. Aber ich war nicht allein damit. Meine Haltung spiegelte die
Erwartung einer breiten Weltöffentlichkeit, die – nicht zuletzt wegen der
Anwesenheit der Staatschefs aller Industrie- und großen Schwellenländer – ein
wirklich tragfähiges, verbindliches Abkommen zur Begrenzung der globalen
Klimaerwärmung erhofft hatte und von den bescheidenen Ergebnissen entsprechend
enttäuscht wurde.
Wenn sich ab morgen Minister und ranghohe Vertreter aus 35 Staaten zum zweiten
Petersberger Klimadialog in Berlin treffen, um den nächsten Klimagipfel im
Dezember im südafrikanischen Durban vorzubereiten, dann ist die
Erwartungshaltung geringer. Aber wir dürfen die Bedeutung dieser Konferenzen
nicht unterschätzen. Ich bin überzeugt: Wir brauchen mehr denn je eine
unermüdliche Klimadiplomatie, wenn wir die Obergrenze des globalen
Temperaturanstiegs von 2 Grad einhalten wollen. Und dieses Ziel ist von höchster
Bedeutung, denn ein wirksamer Klimaschutz ist entscheidend für die Stabilität
der internationalen Ordnung. Klimaschutzpolitik ist heute Weltordnungspolitik.
Denn wir wissen längst, wie die Folgen aussehen werden, wenn wir den Klimawandel
bei steigender Weltbevölkerung nicht in den Griff bekommen: Vor uns steht dann
eine Welt der durch Hunger und Armut ausgelösten Flüchtlingsströme, eine Welt
wachsender politischer Extremismen, eine Welt der globalen, aber auch lokalen
Instabilitäten und Unsicherheiten. Ohne wirksamen Klimaschutz ist deshalb eine
stabile Weltordnung nicht mehr denkbar.
Deshalb ist es nach wie vor von höchster Dringlichkeit, ein System des fairen
Interessenausgleichs für globalen Klimaschutz zu schaffen. Ein solches System
muss sich klare, ambitionierte, aber auch erreichbare Ziele und einen
verbindlichen Rechtsrahmen setzen, der Planungsgrundlagen für Staaten und
Unternehmen schafft, der Transparenz und Vertrauen erzeugt, damit die Zusagen
auch eingehalten werden. Ein solches System zu errichten, braucht viel Zeit und
Geduld. Vonnöten ist eine Politik der kleinen, aber beharrlichen, von einem
gemeinsamen Ziel geleiteten Schritte. Sie schafft die Weltöffentlichkeit, die
wir brauchen, damit das Thema immer wieder auf die politische Agenda gesetzt
wird. Und sie unterstützt die Institutionen, ohne die wir keine Fortschritte
erzielen würden. Man darf die Erfolge dieser Klimadiplomatie auch nicht
übersehen. Wir haben in Cancun im vergangenen Jahr schon viel erreicht, zum
Beispiel mit der Anerkennung der Zwei-Grad-Obergrenze oder mit dem
Klimaschutzfonds zur Unterstützung insbesondere der Entwicklungsländer. Das
sollte uns Mut machen. Bei der Klimadiplomatie geht es zwar nur schrittweise
voran, aber das Erreichte gilt dann für alle Staaten und ist auf Dauer angelegt.
Ein konkretes Ziel für Durban muss sein, die Ergebnisse von Cancun jetzt auch zu
implementieren. Aber wir müssen auch die nächsten Schritte hin zu unserem Ziel
unternehmen.
Anspruchsvolle Minderungsziele und rechtlich verbindliche Regeln sind wichtige
Erfolgsbedingungen für ein internationales Klimaschutzsystem. Um aber ein
solches System erfolgreich durchzusetzen, müssen wir Europäer zeigen, dass
engagierter Klimaschutz nicht mit einem Verzicht auf Wachstum einhergehen muss.
Der Einstieg in die erneuerbaren Energien und in eine Strategie der
Energieeffizienz ist die beste Wachstums- und Wettbewerbsfähigkeitsstrategie,
die ich kenne. Die von der Europäischen Kommission veröffentlichte „Low Carbon
Economy Roadmap 2050″ rechnet vor, dass die Länder danach jährlich bis zu 320
Milliarden Euro für die geringere Nutzung von Kohle, Öl und Gas sparen und
zugleich bis zu 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen könnten.
Klimaschutz im 21. Jahrhundert wird nur gelingen, wenn er mit wirtschaftlichem
Wachstum verbunden ist. Alle müssen die Chance haben für eine umweltverträgliche
und wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklung, durch die neue, zukunftssichere
Arbeitsplätze entstehen. Es stimmt mich optimistisch, dass viele Regierungen
diese Herausforderung angenommen haben. Insbesondere auch die großen
Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien und gerade Südafrika unternehmen
ernsthafte Anstrengungen, ihrem wirtschaftlichen Entwicklungskurs eine
nachhaltigere Richtung zu geben und damit Emissionen einzusparen. Diejenigen
Entwicklungsländer, die wenig zum Klimawandel beitragen, aber von seinen Folgen
überaus stark betroffen sind, brauchen die Solidarität der Weltgemeinschaft. Die
hoch entwickelten Staaten müssen anderen die Unterstützung zukommen zu lassen,
die für sie am besten geeignet ist, um den Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft
und zur Anpassung an den unvermeidlichen Klimawandel erfolgreich zu beschreiten.
Je besser wir entschlossenes Handeln und zielgerichtetes Verhandeln verbinden,
umso eher werden wir zu verbindlichen Zielen und Regeln für einen effektiven
Schutz des Klimas kommen. Mit engagierter Klimadiplomatie wollen wir einen
realistischen, positiven Weg nach Durban weisen.
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