Die gegenseitigen Schuldzuweisungen von
Bahnen und Lokführer belegen wieder einmal, wie schwierig der Umgang
mit der Wahrheit in Tarifkonflikten ist. Hatte die GDL wirklich nicht
vorgehabt, gestern erneut zu streiken, und die Arbeit nur deshalb
niedergelegt, weil die Bahn AG ihr jüngstes Angebot tatsächlich
verschlechtert hat? Oder hat der Staatskonzern, wie er behauptet,
doch einen abschlussreifen Entwurf eines
Lokführer-Rahmentarifvertrags vorgelegt, in dem die wesentlichen
Forderungen der GDL erfüllt werden? Und verweigern die Privatbahnen
nun tatsächlich gemeinsame Verhandlungen wegen des angeblichen
Tarifdiktats der GDL? Oder stemmen sie sich einfach weiter gegen die
Grundforderung der Gewerkschaft, wonach die Lokführer aller
Bahnbereiche – Nah-, Fern- und Güterverkehr – den gleichen Lohn
erhalten sollen?
Wer hier nun die Öffentlichkeit aufs falsche Gleis zu führen
versucht, ist für den Außenstehenden nicht erkennbar. Aber inzwischen
dürfte kaum einem frustrierten Bahnkunden überhaupt noch daran
gelegen sein, dieses Wirrwarr zu durchschauen. Sie erwarten eine
Einigung oder zumindest neue Verhandlungen. Und damit haben sie
Recht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer-Vertreter müssen endlich
miteinander statt in zunehmend gereiztem Ton übereinander reden –
umso mehr als ihren Kunden nach dem Ablauf der Urabstimmung am
kommenden Montag unbefristete Streiks drohen.
Wenn Bahnen und GDL ernsthaft an einer Lösung im Sinne der
Arbeitnehmer und Kunden interessiert sind und es hier nicht wieder
vorrangig um organisationspolitische Machtkämpfe geht, sollte das
möglich sein. Die Grundidee „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist
schließlich mehr als vernünftig. Und nach kleineren gemeinsamen
Nennern, die als Basis für Verhandlungen dienen können, muss man
nicht lange suchen. Aber dazu muss die GDL auch endlich ihre
Minderwertigkeitskomplexe ablegen, die sie stets dazu zwingt, die
Erfolge der Konkurrenzgewerkschaft EVG toppen zu wollen. Die Bahnen
müssen ihrerseits nicht nur einsehen, dass die GDL am längeren Hebel
sitzt, sondern auch, dass die Gewerkschaft als ein
Verhandlungspartner auf Augenhöhe zu behandeln ist.
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