Frankfurter Neue Presse: Siemens – Auch Cromme muss gehen Kommentar von Panagiotis Koutoumanos

In den vergangenen Monaten hat
Siemens-Finanzchef Joe Kaeser kaum eine Gelegenheit ausgelassen, die
Strategie seines Chefs Peter Löscher öffentlich zu diskreditieren –
und damit im Management sogar Schule gemacht. Nun kann der smarte
Niederbayer Löschers Nachfolge antreten.

Nicht, dass dessen Demission unangebracht wäre: Zwar richtete der
Österreicher Löscher die von Korruptions- und Schmiergeldvorwürfen
erschütterte Industrie-Ikone wieder auf. Und der Nettogewinn, den der
Münchener Konzern unter seiner Ägide von 2008 bis 2012 einfuhr, ist
rund 47 Prozent höher als die Summe der Überschüsse in den fünf
Jahren zuvor. Aber dass er gleichwohl unglücklich agierte, zeigt der
Siemens-Aktienkurs, der in seiner Amtszeit zirka 20 Prozent hinter
der Dax-Entwicklung zurückgeblieben ist. In den vergangenen zwei
Jahren hat Löscher Konjunktur und Märkte falsch eingeschätzt,
effiziente Projekt-Steuerung vermissen lassen, Versprechen gegenüber
der Börse reihenweise gebrochen und die Mitarbeiter gegen sich
aufgebracht. Das hält kein Konzern auf Dauer aus – schon gar keiner,
der den Anspruch hat, dauerhaft die Weltspitze in der Industrie zu
behaupten.

Angesichts der Art und Weise, wie sich der Machtwechsel nun
vollzieht, kann Löschers Demission trotzdem nicht als die Katharsis
begriffen werden, die Vertrauen in eine bessere Zukunft des
Siemens-Konzerns wecken könnte: Der designierte Nachfolger Kaeser und
der Strippen ziehende Aufsichtsratschef Gerhard Cromme sind viel zu
tief in Löschers Unternehmenspolitik verstrickt, als dass sie für
einen überzeugenden Neuanfang stehen könnten.

Joe Kaeser hat zwar immer wieder durchblicken lassen, dass sowohl
das von Löscher im Frühjahr 2011 ausgegebene, verheerende Umsatzziel
von 100 Milliarden Euro wie auch die nun kassierte
Zwölf-Prozent-Rendite nicht aus seiner Finanzabteilung stammen. Aber
wie er selbst des öfteren betont hat, sind die entsprechenden
Entscheidungen einstimmig gefallen. Er selbst prahlte, dass das
Erreichen der Zwölf-Prozent-Marge „kein Hexenwerk“ sei. Da macht es
sein Verhalten auch nicht überzeugender, dass er – wie nun in
Finanzkreisen kolportiert -im Aufsichtsrat immer wieder auf die
Risiken der Löscherschen Strategie hingewiesen haben soll. Einerseits
die Entscheidungen des Chefs mittragen, sich andererseits im
Kontrollgremium für dessen Nachfolge in Stellung bringen – und sich
sicherheitshalber auch noch für den Chefposten bei Linde bewerben.
Solch ein Opportunismus sollte nicht belohnt werden.

Aber zum einen kann der Konzern auf die Dienste des dienstältesten
Vorstands, der sich am Finanzmarkt großer Beliebtheit erfreut, nicht
verzichten. Zum anderen kann man getrost davon ausgehen, dass
Aufsichtsratschef Cromme von moralischen Bedenken frei ist. Cromme
selbst hatte 2007 den damals hierzulande unbekannten Löscher zur
Überraschung aller geholt. Aber tatenlos hat Ihre Graue Eminenz
zugeschaut, wie dieser seine eigene Glaubwürdigkeit und die des
Konzerns verspielte. Und auch die darauffolgenden Hahnenkämpfe im
Vorstand hat der als harte Hund bekannte Cromme geschehen lassen.
Dabei verbrachte der Ruhrbaron – nachdem er im März seinen
Chefkontolleursposten bei ThyssenKrupp aufgeben musste – genug Zeit
in München. Aber offensichtlich verfährt Cromme bei Siemens nach
derselben Methode wie bei Thyssen: Indem er den von ihm selbst
entworfenen Kodex guter Unternehmensführung verletzt, schneidert er
sich erst die Strukturen derart zurecht, dass er so gut wie
unanfechtbar wird. Dann lässt er es laufen, bis es kracht, und opfert
am Ende ganz schnell andere, um sich selbst vielleicht noch retten zu
können.

Damit muss nun auch bei Siemens Schluss sein. Cromme trägt
letztlich genauso viel Verantwortung an der Misere des Münchner
Konzerns wie Löscher. Der 165 Jahre alte Inbegriff deutscher
Industrie hat immer noch gewaltiges Potenzial. Damit er es
ausschöpfen kann, muss auch Cromme gehen – und mit ihm die gesamte
Gerontokratie im Kontrollgremium.

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Peter Schmitt
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