Frankfurter Neue Presse:Über die Wahl des neuen Bundespräsidenten. Tag der Abrechnung. Leitartikel von FNP-Chefredakteur Rainer M. Gefeller

An sich könnten wir also zufrieden sein
mit dieser Demokratie-Demonstration. So viel Wahl war selten! Und
gleichfalls selten hat diese Republik den Wettstreit zweier derart
respektabler Kandidaten um das höchste Staatsamt erlebt. Gleichwohl
bleibt ein schaler Nachgeschmack. Ganz sicher hat Wulff, der ja
selbst lange zu Angela Merkels Widersachern zählte, nicht damit
rechnen können, dass er mit seiner Kandidatur zum Kugelfang für die
Kanzlerin werden würde. Die Stimmen, die er nicht erhielt, wurden in
Wahrheit Merkel vorenthalten. Die Stimmen, die dem großartigen
Joachim Gauck aus dem Regierungslager zuflossen, galten sicher ihm –
und waren zugleich eine Abrechnung mit der mächtigsten Frau in
Deutschland.

Sie hat sich verrechnet. Sie wollte sich den Herrn Gauck nicht von
der Opposition aufschwätzen lassen als gemeinsamen Kandidaten; sie
wollte den Durchmarsch des eigenen Mannes und vertraute auf den
satten Stimmenvorsprung von Schwarz-Gelb.

Schon redeten gestern welche von „Kanzler-Dämmerung“ und wähnen
das Ende der Koalition nahe. Das ist Unfug. Aber Angela Merkel wird,
wenn ihre Macht nicht weiter erodieren soll, demütiger werden müssen.
Sie hat sich sicher gefühlt, weil doch die desolate FDP einen idealen
Blitzableiter abgibt für den großen Zorn im Wahlvolk. Aber es geht
nicht mehr nur um Herrn Westerwelle – jetzt geht es auch um die
Chefin.

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