Eine harte Lehrstunde in europäischer
Realpolitik hat Griechenlands unerfahrene, aber vor Selbstbewusstsein
strotzende Regierungsspitze in den vergangenen Tagen erhalten. Ohne
Rücksicht auf die internationalen Geldgeber und Finanzmärkte haben
sich die beiden jungen Polit-Rebellen Alexis Tsipras und Jianis
Varoufakis im Rausch ihres Wahlsieges aufgemacht, ihre größtenteils
utopischen Wahlversprechen unverzüglich in die Tat umzusetzen – und
haben dabei soviel Porzellan zerschlagen, dass sie vor einem
außenpolitischen und ökonomischen Scherbenhaufen stehen. Selbst die
anderen schuldengeplagten Euro-Staaten im Süden haben sie nicht für
ihren finanzpolitischen Revolutionszug gewinnen können. Wie auch?
Spanier, Portugiesen und Italiener wollen zwar den Fokus in der
Währungsunion stärker von der Austerität hin zu Wachstumsinitiativen
zu verschieben. Aber deren Regierungen haben ihre Hausaufgaben – auch
wenn diese etwas leichter gewesen sind – gemacht, und sie sehen nicht
ein, dass den Griechen nun weitere Ausnahmen gewährt werden sollen,
nur weil diese am lautesten schreien.
Gewonnen ist für Griechenland durch das politischen Poltern seiner
Regierungsvertreter also nichts, dafür aber viel verloren: Viel
Vertrauen und damit auch viel Geld – vor allem nach dem gestrigen
Warnschuss der EZB, der nun auch die Finanzierung der Banken weiter
einschränkt und verteuert, so dass deren Situation angesichts der
horrenden Einlagen-Abflüsse so prekär werden kann, dass selbst
Kapitalverkehrskontrollen nicht mehr auszuschließen sind.
Spätestens jetzt sollte die Athener Regierung einsehen, dass die
internationalen Geldgeber am längeren Hebel sitzen und von ihrem
Konzept „Solidarität gegen Solidität“ nicht abrücken werden. Heißt:
Sie werden Griechenland weder zusätzliche Finanzspritzen noch
Erleichterungen gewähren, solange sie sich sträubt, das Ende Februar
auslaufende Hilfsprogramm zu verlängern, das den Gläubigern weiterhin
Reform- und Haushaltskontrollen erlaubt.
Die jüngsten Aussagen des griechischen Premiers und seines
Finanzministers deuten daraufhin, dass sie langsam in der Realität
ankommen und zu entsprechenden Zugeständnissen bereit sind – auch
wenn sie damit de facto Wahlversprechen brechen müssen. Schließlich
ist auch ihnen klar: Mögen aufgrund ihres bisherigen
Konfrontationskurses ihre Zustimmungswerte in der griechischen
Bevölkerung noch weiter gestiegen sein – verschuldet ihre Regierung
den Austritt Griechenlands aus dem Euro und damit den Sturz des
Landes ins Chaos, wäre das auch ihr Ende.
Wo können nun beide Seiten ansetzen, um eine für den unterlegenen
Tsipras gesichtswahrende Lösung zu finden, die über eine feinsinnige
Semantik des Arrangements hinausgehend einerseits ökonomisch
vertretbar ist, andererseits in der leidgeplagten griechischen
Bevölkerung Akzeptanz finden kann? Während klar ist, dass das Konzept
„Solidarität gegen Solidität“ Basis jeder Lösung sein muss, bieten
die Details dieses Konzepts durchaus Spielraum. Dazu gehört nicht
nur, dass die Athener Regierung mehr Gestaltungsfreiheit beim
Erreichen der Sparziele erhält – so würde wohl nichts dagegen
sprechen, über höhere Ausgaben die Not der Ärmsten im Lande zu
lindern, wenn im Gegenzug deutlich wird, dass die Einnahmen bei den
Wohlhabenden steigen. Auch eine diskretere Kontrolle durch die in
Griechenland so verhassten Troika-Vertreter muss möglich sein.
Dringend geboten erscheint zudem, die von der Troika vorgegebene Höhe
der jährlichen Primärüberschüsse von drei bis 4,5 Prozent zu senken.
Schließlich würde eine Reduzierung um wenige Prozentpunkte ein
Vielfaches an dringend benötigtem Wirtschaftswachstum erzeugen.
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