Frankfurter Neue Presse: zu Karlsruhe / EZB „Die Angst der Verfassungsrichter vor dem Super-GAU“ Kommentar von Panagiotis Koutoumanos

Der normativen Kraft des Faktischen
haben sich nun auch die Karlsruher Hüter des Rechts beugen müssen.
Und Fakt ist nun mal: Allein die Ankündigung der EZB, notfalls
unbegrenzt Anleihen von Euro-Krisenstaaten zu kaufen – wenn sich
diese den harten Auflagen des Rettungsfonds– ESM unterwerfen – hat
gereicht, um auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise die
Währungsunion zu retten. Von dem Versprechen dieses „OMT“-Programms
zehrt die Eurozone heute noch: Die Anleihe-Zinsen der Krisenländer
bewegen sich seitdem auf erträglichem Niveau, und die Fragmentierung
der Finanzmarktes hat deutlich nachgelassen – Staatsbankrotte und
Euro-Austritte sind kein ernsthaftes Thema mehr.

Dass sich die EZB mit dem OMT-Programm in einer rechtlichen
Grauzone bewegt, wird niemand bestreiten; dass EZB-Präsident Mario
Draghi nicht demokratisch legitimiert ist, auch nicht; und dass es –
wenn denn die EZB gezwungen wäre, ihr Versprechen wahr zu machen-
auch um deutsches Geld ginge, ist ohnehin klar. Aber um die
vermeintliche Herrschaft des Rechts zu sichern, die – noch allzu
fragile – Stabilität der Eurozone zu gefährden und damit gleich die
weltweite Wirtschaft in Turbulenzen zu stoßen, kann nie und nimmer
eine Option sein. Zumal dann die EZB gezwungen wäre, andere höchst
unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen, die hierzulande nicht minder
umstritten wären.

Das hat nun auch das Bundesverfassungsgericht eingesehen. So
bezichtigen die Richter die Zentralbank zwar der
Kompetenz-Überschreitung und bekunden damit eindeutige Sympathie für
die Beschwerdeführer. Aber für einen globalen volkswirtschaftlichen
Super-GAU wollen auch sie nicht verantwortlich sein. Deshalb
verzichten sie auf das einzige ihnen zur Verfügung stehende
rechtliche Instrument, das möglicherweise dazu taugen könnte, die EZB
indirekt in die Schranken zu weisen: ein Feststellungsurteil, in dem
die Verfassungsrichter dem Bundestag Grenzen setzen, an die sich
dieser im Rahmen europäischer Beschlussverfahren zu halten hätte.
Schließlich hat der Bundestag über die Bindung des OMT-Programms an
den ESM ein Mitsprache-Recht – bevor dieser Gelder freigibt, muss der
deutsche Bundesfinanzminister die Zustimmung des Bundestages
einholen.

Dass die roten Roben die Entscheidung über das OMT-Programm nun
dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) überlassen, heißt aber nicht,
dass sie sich um eine Entscheidung drücken oder nun gar „Kompetenzen
nach Luxemburg verlagern“, wie uns nun einige weißmachen wollen. Ganz
im Gegenteil: Damit akzeptiert das Bundesverfassungsgericht, dass es
als nationales Gericht gar nicht die Rechtsaufsicht über die EZB hat,
dass die EZB als europäisches Organ nicht dem deutschen Grundgesetz
unterworfen ist, sondern den europäischen Verträgen – und damit nur
der EuGH über OMT entscheiden kann. Den Vorwurf, das
Bundesverfassungsgericht sei nicht bereit, sich in die Riege
nationaler Verfassungsgerichte einzureihen, sondern mit dem EuGH auf
Augenhöhe agieren wolle, hat Karlsruhe so zunächst entkräftet.

Damit ist es nun sehr unwahrscheinlich geworden, dass die
Währungshüter ihr OMT-Programm werden einschränken oder gar ad acta
legen müssen. Zum einen hat der EuGH in der Vergangenheit immer
wieder große Europa-Freundlichkeit bewiesen. Zum anderen hat das
Bundesverfassungsgericht sich mit seiner sogenannten
„Honeywell“-Entscheidung aus dem Jahr 2010, wonach ein
Kompetenzverstoß „offensichtlich“ sein muss, selbst Beschränkungen
auferlegt. Dass Karlsruhe dem EuGH die Gefolgschaft verweigern wird,
ist demnach nicht anzunehmen. Mario Draghi kann also aufatmen – und
mit ihm alle, die davon überzeugt sind, dass das OMT-Programm der
wichtigste Grund dafür ist, dass die Währungsunion nicht mehr in
großer Gefahr schwebt.

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