Die Debatte darüber, ob ein in Deutschland
aufgewachsener Mensch, der westliche Werte verinnerlicht haben
sollte, sich mit Despoten ablichten oder mit ihnen reden sollte, war,
ist und bleibt bigott. Deutschlands Wohlstand basiert zu einem guten
Teil aus Geschäften mit Despoten und auf Ausbeutung: Energie aus
Russland, Erze aus Entwicklungsländern, Produktion in
Billiglohnländern. Verdrängt ist die millionenschwere
Schmiergeldkasse von Siemens; vergessen die Zusammenarbeit von
Mercedes und Volkswagen mit der Militärdiktatur in Brasilien und dem
Apartheidregime in Südafrika; verschwiegen die Ausbeutung vieler
Gastarbeiter. Diese westlichen Werte, die Özil nun verraten haben
soll, werden von deutschen Unternehmen oft genug verkauft, wenn der
Preis stimmt. Wenn wir an Özil unsere Werte durchdeklinieren, dann
sollten wir konsequent sein: Legen wir dieselbe Messlatte, die wir an
Bürger mit Zuwanderungsgeschichte anlegen, auch an Deutsche ohne
Migrationshintergrund an? Würden wir über den „Verrat“ von
Unternehmen und Politikern genauso laut diskutieren?
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