Es ist eine Nachricht, die viele  in Deutschland
nicht hören wollen: Die Lebenserwartung der Menschen, die mit 
staatlichen Hilfen oder als Geringverdiener über die Runden kommen 
müssen, sinkt. Dabei ist diese Entwicklung gar nicht überraschend. 
Sie geht Hand in Hand mit der Erkenntnis, dass die Einkommenskluft 
zwischen Arm und Reich hier  in den vergangenen zwei Jahrzehnten 
erheblich stärker gewachsen ist als in den meisten anderen 
Industrienationen. Eine entsprechende Studie legte die Organisation 
für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit  in der 
vergangenen Woche  vor. Und dass Armut krank macht, ist lange  
bekannt. Sicher spielen dabei auch schlechte Ernährung, Alkohol- und 
Zigarettenkonsum eine Rolle. Vor allen Dingen aber ist es die 
tägliche Existenzangst, die  mürbe macht, der Stress, in 
verschiedenen Kleinst-Jobs arbeiten zu müssen, um die Familie 
durchzubringen, die fehlende Wertschätzung, die Hilfeempfängern und 
Geringverdienern allenthalben entgegenschlägt und die   fehlende 
Selbstachtung. Die Politik der vergangenen Jahre  hat vieles getan, 
um Menschen in diese Armut zu bringen. Die  Arbeitsmarktreformen   
verschärften die Lage auf dem Niedriglohnsektor. Reguläre Jobs wurden
in Mini-Jobs aufgespalten. Daneben machten die Gesundheitsreformen 
medizinische Versorgung zur Einkommenssache: Viele Geringverdiener 
mögen seit Einführung der Praxisgebühr nicht einmal mehr zum Arzt 
gehen. Zahnersatz ist  Luxusgut. Statt aber die Warnung der 
Rentenversicherung ernst zu nehmen, weist die Regierung deren 
alarmierende  Zahlen eilig als „nicht belastbar“ zurück. Deutsche 
Politiker, so scheint es, haben zu  viel mit Wirtschaftsfragen und 
der Euro-Rettung zu tun, um die immer offensichtlicheren Probleme im 
eigenen Land anzugehen.  Doch will Deutschland international ein 
starker Wirtschaftspartner bleiben, muss es sich jetzt um seine 
Bürger kümmern. Die Vereinfachung des Steuer- und Transfersystems ist
genauso überfällig wie vernünftige  Bildungs- und Betreuungsangebote 
oder angemessene Arbeitslöhne.
Pressekontakt:
Flensburger Tageblatt
Stephan Richter
Telefon: 0461 808-0
redaktion@shz.de
Weitere Informationen unter:
http://
