Der Fall, der so harmlos mit dem Rückzug eines
„verdienten“ SPD-Abgeordneten „aus gesundheitlichen Gründen“ aus dem
Bundestag begann, entpuppt sich mehr und mehr als politischer
Skandal, der sich zur Amigo-Affäre auswachsen kann. Im Mittelpunkt
steht dabei nicht das Verhalten des SPD-Politikers Edathy, für den
wie für jeden Bürger unseres Rechtsstaats bis zum Beweis des
Gegenteils die Unschuldsvermutung gilt – auch bei einem
schwerwiegenden Vorwurf wie Kinderpornografie. Bestürzend ist
vielmehr, wie hohe Politiker mit den brisanten Anschuldigungen
umgegangen sind – und wie sie ihre Verantwortung dem Staat und
möglichen Opfern gegenüber auf dem Altar der Kumpanei geopfert haben.
Es war der Oktober vergangenen Jahres, soviel steht in diesem
mysteriösen Fall fest, als der damalige Bundesinnenminister Friedrich
(CSU) über die im Raum stehenden Vorwürfe gegen den bis dahin als
unbescholten geltenden SPD-Politiker informiert wurde. Was dann
folgte, wäre absolut unvorstellbar, wenn nicht SPD und Union gerade
Partner geworden wären und den Koalitionsvertrag geschmiedet hätten.
Statt den Bundestagspräsidenten als Hüter der Immunität aller
Abgeordneten über die Vorwürfe gegen Edathy zu informieren, plauderte
Friedrich ausgerechnet mit SPD-Chef Gabriel darüber, den er zuvor im
Bundestagswahlkampf noch massiv bekämpft hatte. Der Innenminister
muss dabei in Kauf genommen haben, dass Edathy direkt informiert wird
und Gelegenheit bekommt, sich potenzieller Beweismittel zu
entledigen. So etwas nennt man Strafvereitelung. Und wenn Friedrich,
der heutige Landwirtschaftsminister, sein Verhalten nicht plausibel
erklären kann, ist er als Mitglied der Bundesregierung untragbar.
Denn dann wäre er selbst ein Fall für staatanwaltliche Ermittlungen.
Auch die SPD-Spitze ist in akuter Erklärungsnot: Hätte sie nicht
von sich aus den Bundestagspräsidenten informieren können – oder
dafür sorgen können, dass Edathy sich den Vorwürfen stellt? Dass
offenbar abgewartet wurde, bis der Beschuldigte vier Monate später
von selbst seinen Stuhl räumt, zeigt, dass Gabriel versagt hat –
zumal in dieser Zeit offenbar einer der Eingeweihten plauderte und
Edathy einen Tipp gab. Wie sonst ist zu erklären, dass offenbar
mehrere zerstörte Festplatten in dessen Wohnung gefunden wurden.
Erstes Fazit: Für Friedrich ist es eng, für Gabriel könnte es eng
werden. Die große Koalition steckt mitten in einer ernsten
Bewährungsprobe. / Bernd Loskant
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