FZ: Der Anti-Politiker Kommentar der Fuldaer Zeitung zur Amtszeit von Joachim Gauck (11.02.2017)

Kaum ein Präsidentschaftskandidat erntete vor seiner
Wahl mehr Vorschusslorbeeren als Joachim Gauck. 80 Prozent hielten
ihn damals für eine Idealbesetzung – und heute sagen wieder 80
Prozent, er sei der Richtige im Amt gewesen. Alles richtig gemacht,
oder? Eines zumindest ist offenkundig, wenn am Sonntag mit der Wahl
seines Nachfolgers die Ära Steinmeier beginnt. Nach den
Scherbenhaufen, die seine Vorgänger – zunächst Horst Köhler mit
seinem bis heute unerklärlichen Kamikaze-Rücktritt und Christian
Wulff mit seinem dilettantischen Krisenmanagement – angerichtet
hatten, war es Gaucks Verdienst, dem höchsten Staatsamt wieder die
Würde zurückzugegeben, die ihm gebührt.

Viel lässt sich hineininterpretieren in die Rolle, die die
Verfassungsväter dem Bundespräsidenten zuschreiben. Gauck füllte das
Amt nicht mit dem Anspruch aus, den Mächtigen ständig die Leviten zu
lesen, wie Rau die politischen und wirtschaftlichen Eliten zu
attackieren oder wie Herzog von den Menschen einen Ruck zu fordern.
Gauck war ein Präsident der leisen Töne, der zunächst zaghaft, gegen
Ende seiner Amtszeit aber immer deutlicher seinen Finger in Wunden
legte. Er fiel gerade dadurch auf, dass er nicht ständig Schlagzeilen
machte – Gauck, der Anti-Politiker, der all die Eigenschaften
mitbrachte, die man gemeinhin nicht mehr mit Berufspolitikern
verbindet: glaubwürdig, bescheiden, unprätentiös. Eine moralische
Instanz, die eben nicht ständig den Zeigefinger hob.

Manche Rede klang wie eine Predigt, und dann musste man zwischen
den Zeilen lesen. Als er im Herbst 2015 auf dem Höhepunkt der
Flüchtlingskrise konstatierte „Unser Herz ist weit, doch unsere
Möglichkeiten sind endlich“, konnte man das durchaus als latenten
Hinweis an die Kanzlerin verstehen. Wer am Anfang nicht wusste, wofür
Gauck steht, konnte sich irgendwann aus Zitaten eine Collage basteln.
Er forderte eine „schöpferische Verlangsamung“ des europäischen
Integrationsprozesses, mehr militärisches Engagement Deutschlands im
Ausland und einen starken Staat im Kampf gegen den Terror. War das
der Gauck, den SPD und Grüne einst gemeinsam nominiert hatten?

Gauck war der Präsident der Herzen, der nie eine Chance gehabt
hätte, wenn nicht die Kanzlerin durch die Causa Wulff unter Druck
geraten wäre. Was wieder einmal belegt, dass das Amt nicht nach
parteipolitischem Proporz besetzt werden darf. Der Bundespräsident
sollte vom Volk gewählt werden, dann hätten mehr Typen vom Schlage
Gaucks eine Chance. / Bernd Loskant

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