Das Bild hat sich in das Gedächtnis der Welt
eingebrannt: General Ratko Mladic prostet einem etwas verdattert
wirkenden holländischen Blauhelm-Kommandeur zu – während zur gleichen
Zeit Mladics Truppen ein Massaker an 8000 bosnischen Männern in der
vermeintlichen UN-Schutzzone vorbereiten. Der Schnappschuss aus dem
Jahr 1995 ist gleich aus zwei Gründen zu einem zeitgeschichtlichen
Dokument geworden – und zur bleibenden Mahnung: Er steht zum einen
für die Ungeheuerlichkeit, dass mitten im scheinbar zivilisierten
Europa ein Völkermord stattfindet – und einer der Verantwortlichen
dazu noch feist in die Kamera grinst. Das Foto steht aber auch für
das völlige Versagen der internationalen Gemeinschaft, die den
Bosniern lauthals Schutz versprach – und dann den Schwanz einkniff.
Nun ist der „Schlächter von Srebrenica“ gefasst. Nach mehr als 15
Jahren, in denen er – ähnlich wie bis 2008 sein verbrecherischer
Kampfgenosse Radovan Karadzic – offenbar ohne ständige Angst vor den
serbischen Behörden ein zurückgezogenes Rentnerleben führen konnte.
Doch jetzt hat die Regierung in Belgrad mutig die Reißleine gezogen –
der jahrelange Druck aus Brüssel und das Lockmittel EU-Mitgliedschaft
haben wohl doch Wirkung gezeigt. Dabei geht Serbiens Präsident Boris
Tadic ein erhebliches Risiko ein: Denn ginge es nach der Mehrheit der
serbischen Bevölkerung, wäre ihr „Kriegsheld“ Mladic wohl bis zum
Ende seines Lebens unbehelligt geblieben. Nun muss sich Tadics hoher
Einsatz rasch auszahlen – sonst ist er innenpolitisch erledigt. Die
„Gegenleistung EU-Beitritt“, die er gestern forsch einforderte,
dürfte sich allerdings hinziehen. Denn wenn die EU nicht will (siehe
Türkei), ist sie sehr geschickt darin, immer neue Hürden für einen
Beitritt aufzurichten; wenn man sich in Brüssel dagegen einig ist,
blickt man sehr großzügig über die Unzulänglichkeiten von
Beitrittskandidaten (siehe Bulgarien und Rumänien) hinweg. Angesichts
der verzwickten Konstellationen auf dem Balkan dürfte auf Serbien
eher der türkische Weg zukommen. Wer aber denkt, dass Mladic,
Karadzic & Co. jetzt rasch für ihre Taten verurteilt werden, der
dürfte auf dem Holzweg sein. Die Mühlen in Den Haag mahlen
unglaublich langsam – manchmal wird man den Eindruck nicht los, dass
die Anklagevertreter vor allem bemüht sind, sich selbst nicht allzu
bald arbeitslos zu machen. Gleichzeitig wird das Tribunal von den
Verteidigern mit Beschwerden und Beweisanträgen zugeschüttet. Im Fall
von Slobodan Milosevic führte das immerhin dazu, dass der
Ex-Präsident öffentlichkeitswirksam seine Tiraden gegen die westliche
Welt loslassen konnte – bevor er ohne Verurteilung in der U-Haft in
Den Haag starb. Es wäre ein verheerendes Signal, wenn auch gegen
Mladic und Karadzic kein Urteil fiele. Beinahe ebenso wichtig wäre es
allerdings auch, wenn die UN und die Europäer endlich den Mumm
aufbrächten, ihre eigene Rolle bei der Schande von Srebrenica durch
eine unabhängige Kommission durchleuchten zu lassen.
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Fuldaer Zeitung
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