Ich gebe zu: Auch mich hatte das Apple-Virus
infiziert. Um 6 Uhr stand ich gestern Morgen unter der Dusche, um
pünktlich um 8 einen Frankfurter Apple-Store zu betreten und mir
bereits im September ein Weihnachtsgeschenk zu machen. Doch dann, um
6.17 Uhr, riss mich der Radiomoderator unsanft aus dem Traum: „Wir
schalten jetzt gleich in die Frankfurter Innenstadt, wo bereits 1000
Leute vor dem Apple-Store warten, um das iPhone 5 zu ergattern.“ 1000
Menschen morgens um 6 in einer Schlange vor einem Geschäft, das erst
um 8 Uhr öffnet, um ein Telefon zu kaufen? Auch das iPhone 5 scheint
magische Kräfte zu haben. Bis zu 6 Millionen Geräte werden an diesem
Wochenende über die Ladentische gehen; allein durch das neue Telefon
könnte die US-Wirtschaft 2012 bis zu einen halben Prozentpunkt
wachsen, obwohl in den USA nur 43 000 Menschen auf der Payroll
von Apple stehen; und mancher glaubt gar, dass das Telefon für eine
so positive Stimmung im Land sorgt, dass es US-Präsident Obama die
Widerwahl sichert. Kann das Universal-Wunderwerk vielleicht
irgendwann auch noch Kranke heilen?
Rational ist das schon lange nicht mehr, was der kalifornische
Technikriese mit seinen Produkten rund um den Globus auslöst.
Nüchtern betrachtet, ist das neue iPhone keine Revolution: Es kann
nicht bedeutend mehr als sein Vorgänger, es sieht ähnlich aus und hat
im Einzelfall sogar Funktionalität eingebüßt: So sind die neuen
Apple-Landkarten zumindest in der Provinz schlechter als beim alten
Google Maps – Fulda erscheint aus der Satelliten-Perspektive als
wackliger, undefinierbarer Brei, Straßen und Gebäude sind nicht zu
erkennen. Einiges können die Smartphones der Wettbewerber sicher
genauso gut, wenn nicht besser.
Die Erklärung für den Hype, der um Apple-Produkte gemacht wird,
sucht man am besten im Reich der Psychologie: Steve Jobs hat im
iPhone Telefon, Internet und Fotokamera verschmolzen und Bedürfnisse
geschaffen, von denen sich inzwischen niemand mehr lösen will.
Durchgesetzt hat Apple seine Marktmacht dann mit einer beispiellosen
Werbe- und Marketingmaschinerie – mehr als eine Milliarde Dollar hat
der Konzern für iPhone- und iPad-Werbung ausgegeben. In großen
Städten blickt man im 10-Meter-Takt auf riesige iPhone-Tafeln. Sind
die Produktionsbedingungen bei Zulieferern in Asien auch noch so
mies, Apple macht vor, wie man ein Statussymbol für die
Internet-Generation kreiert. Und wenn die Blase nicht irgendwann
platzt und bei der Konkurrenz kein reinkarnierter Steve Jobs
auftaucht, dann wird es auch beim iPhone 5s wieder Schlangen wie
gestern geben – aber ohne mich. / Bernd Loskant
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