FZ: Stunde der großen Koalition Kommentar der Fuldaer Zeitung zu Berlin

Wahrscheinlich waren es die kürzesten
Koalitionsverhandlungen aller Zeiten. Dass bereits nach einer Stunde
klar war, dass alle Gemeinsamkeiten zwischen SPD und Grünen in der
Hauptstadt nicht ausreichen, um eine Regierung zu bilden, hätte wohl
niemand erwartet. Konsequent war Wowereits Paukenschlag allemal.
Während die Grünen sich im Wahlkampf festgelegt hatten, dass es mit
ihnen keinen Ausbau der Stadtautobahn geben werde, versprachen die
Sozialdemokraten genau das Gegenteil. Irgendetwas zwischen Ja und
Nein, also einen Kompromiss, hätten beide Seiten ihrer Basis nur
schwer verkaufen können. Autobahnbau, das gehört vor allem bei den
Grünen in die ideologische Nein-Schublade. Dass das Thema
ausgerechnet bei Wowereit eine Kurzschlusshandlung auslöst,
überrascht und lässt den Schluss zu, dass es für ihn weitere Motive
gab, die Verlobung kurzfristig zu lösen. Für den Regierenden
Bürgermeister dürfte ein Bündnis mit der CDU trotz aller Unterschiede
behaglicher werden als mit den Grünen. Vor allem bei
Verkehrsprojekten, zu denen auch der Ausbau des für Berlin wichtigen
Hauptstadtflughafens gehört, weiß Wowereit die CDU auf Wellenlänge.
Zudem hätte eine große Koalition im Abgeordnetenhaus eine wesentlich
komfortablere Mehrheit als die eine magere Stimme von Rot-Grün.
Wowereit hängt das Trauma nach, 2006 im ersten Wahlgang durchgefallen
zu sein So etwas wird ihm bei einem Bündnis mit der CDU wohl nicht
passieren. Für die Grünen sind die gescheiterten Koalitionsgespräche
ein schwerer Schlag. Noch vor ein paar Wochen hatten sie sich
Hoffnungen gemacht, mit Renate Künast die erste Regierende
Bürgermeisterin der Hauptstadt zu stellen. Der bundesweite Höhenflug
in den Umfragen nährte sogar Hirngespinste, es könne nach der
nächsten Bundestagswahl zu einem grün-roten Kabinett unter einem
Kanzler Trittin kommen. Dieser Spuk ist nun erst einmal vorbei, nicht
nur wegen der aktuell sehr volatilen Umfragewerte. Die Absage
Wowereits wird sicherlich Auswirkungen auf das Verhältnis der beiden
Parteien auf Bundesebene haben, doch ohne die SPD haben die Grünen
ein ernsthaftes Problem: Weil Trittin, Künast und Co. schwarz-grüne
Bündnisse ausschließen wollen, stünde die Partei ohne Partner da. Ist
die große Koalition also ohne Alternative? Rückblickend zeigt sich,
dass gerade in schwierigen Zeiten solche Bündnisse durch ihre
stabilen Mehrheiten einiges bewegen können. Was hat das Kabinett
Merkel/Steinmeier doch im Vergleich zur schwarz-gelben Mannschaft
alles durchgebracht! Bernd Loskant

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