Generationenwechsel im deutschen Mittelstand nimmt Fahrt auf

– 236.000 Firmen suchen bis Ende 2019 einen Nachfolger, bis 2022
noch einmal 275.000
– Weitere 331.000 Inhaber planen binnen 5 Jahren die Stilllegung
– Regionale Unterschiede bei Nachfolgeplanungen im Bundesgebiet
– Geklärte Nachfolge stimuliert Investitionen

Der Generationenwechsel im deutschen Mittelstand nimmt kräftig
Fahrt auf. Aktuell sind rund 40 % der Inhaber mittelständischer
Betriebe älter als 55 Jahre, für sie stellt sich in absehbarer Zeit
die Frage nach dem Renteneintritt und damit auch die nach dem
Fortbestand ihres Unternehmens. Eine aktuelle Sonderauswertung von
KfW Research auf Basis des repräsentativen KfW-Mittelstandspanels
zeigt: Allein in den kommenden zwei Jahren planen die Chefs von
236.000 kleinen und mittleren Firmen, ihr Unternehmen an einen
Nachfolger zu übergeben. Für 100.000 von ihnen wird die Zeit knapp,
da der Nachfolger entweder noch nicht gefunden wurde – oder der
Inhaber noch gar nicht mit der Suche begonnen hat. Die Bedeutung
dieser Unternehmen ist beachtlich, hängen doch die Arbeitsplätze von
rd. 2 Millionen Erwerbstätigen und etwa 89.000 Auszubildenden vom
Gelingen der Nachfolge ab.

Die ganze Breite des bevorstehenden Generationenwechsels wird
offensichtlich, wenn man ein paar Jahre weiter in die Zukunft blickt:
Bis 2022 wollen noch einmal 275.000 Seniorchefs ihren Betrieb
übergeben. Bevorzugt wird quer durch alle Branchen- und Größenklassen
die Übergabe innerhalb der Familie (54 %). Einen externen Käufer
können sich 42 % vorstellen, ein Mitarbeiter oder bisheriger
Miteigentümer wird deutlich seltener als Nachfolger in Betracht
gezogen (25 % bzw. 27 %).

Nicht jeder Unternehmenslenker mit konkreten Rückzugsgedanken hat
indes vor, seinen Betrieb überhaupt fortführen zu lassen, sondern
will ihn stilllegen. Aktuell planen die Inhaber von 331.000 noch
aktiven Mittelständlern binnen fünf Jahren die Geschäftsaufgabe. Bei
diesen Firmen sind 1,63 Mio. Menschen beschäftigt. Bei der Frage “
Nachfolge oder Stilllegung“ zeigt sich eine klare Größenabhängigkeit.
Für größere Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern scheint eine
Geschäftsaufgabe kaum eine Option zu sein, nur 5 % ziehen dies in
Betracht. Bei den Kleinstbetrieben mit weniger als 5 Beschäftigten
liegt der Wert um das Achtfache höher bei 41 %. Inhaber aus dem
Handel, dem Baugewerbe und dem Dienstleistungssektor liegen mit ihren
Planungen recht nah beieinander: Etwas mehr als die Hälfte der
Unternehmen dieser Wirtschaftssegmente soll in die Hände eines
Nachfolgers übergehen. Im Verarbeitenden Gewerbe liegt der Wert mit
drei Vierteln noch höher.

Nicht überall in Deutschland ist der Generationenwechsel im
Mittelstand ein gleich drängendes Problem – es bestehen überraschend
große regionale Unterschiede. In Schleswig-Holstein ist bereits fast
die Hälfte (46 %) aller Mittelstandschefs 55 Jahre und älter, auch in
Thüringen (44 %) und Baden-Württemberg (41 %) sind die Anteile
überdurchschnittlich hoch. In diesen Bundesländern werden auch am
häufigsten Nachfolger gesucht. Anders sieht die Lage etwa in Hamburg,
Rheinland-Pfalz/Saarland oder Mecklenburg-Vorpommern aus: Hier gibt
es mit jeweils rd. 30 % deutlich weniger ältere Mittelstandschefs und
es stehen kurzfristig weit weniger Nachfolgen an.

Wie die Analyse von KfW Research zeigt, beeinflusst ein zeitnah
anstehender Generationenwechsel in der Inhaberschaft, gepaart mit
einem hohen Alter des Unternehmers, erheblich die
Investitionsbereitschaft. Ist die Nachfolge unklar, dann bleiben
vermehrt Investitionen aus. Umgekehrt stärkt eine geklärte Nachfolge
die Investitionsbereitschaft auch bei hohem Inhaberalter. Am
stärksten ausgeprägt ist die Wirkung bei kurzfristig anstehenden
Nachfolgen binnen zwei Jahren: Wenn die Nachfolge gesichert ist, dann
löst dies ein durchschnittliches Investitionsplus von 40 % im
Unternehmen aus.

„Der deutsche Mittelstand steht infolge des demografischen Wandels
vor erheblichen Strukturveränderungen. In den nächsten fünf Jahren
ziehen sich die Chefs von 842.000 Betrieben in den Ruhestand zurück –
mit oder ohne Nachfolger. Jedes fünfte mittelständische Unternehmen
ist betroffen“, fasst Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW
Bankengruppe, zusammen. Negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit
seien angesichts dieser großen Dimension nicht ausgeschlossen – vor
allem, wenn die Unternehmer sich zu spät oder gar nicht mit der Frage
nach dem Fortbestand ihres Betriebes befassten. „Es besteht die
Gefahr, dass Unternehmen nicht weiterentwickelt werden, ihr Wert
sinkt und damit auch die Chance, sich erfolgreich am Markt zu
behaupten. Der Generationenwechsel muss daher eines der Top-Themen
sowohl in den Chefetagen des Mittelstands als auch in der
wirtschaftspolitischen Agenda hierzulande sein“, so Zeuner. Eine
geordnete Übergabe beanspruche in der Regel mehrere Jahre Planung –
vor allem, wenn der Nachfolger nicht aus der Familie stamme. „Bei
externen Nachfolgern sehen wir seit Jahren allerdings einen größer
werdenden Engpass durch sinkende Gründerzahlen. Es fehlt dadurch
nicht nur an ausreichend Unternehmernachwuchs in Deutschland,
insbesondere übernahmewillige Gründer werden seltener. Zuletzt lag
diese Zahl gerade bei 62.000 im Jahr 2016. Gesunken ist parallel auch
die Zahl derer, die sich zumindest an einem bestehenden Unternehmen
finanziell und aktiv beteiligen. Das sind letztlich deutlich zu
wenige, um den Bedarf an qualifizierten Nachfolgern zur Weiterführung
bestehender Unternehmen zu decken“, sagt Zeuner. „Es ist daher eine
zentrale Herausforderung, die Attraktivität des Unternehmertums
wieder zu steigern. Eine stärkere Vermittlung von ökonomischer
Bildung und Unternehmerkompetenzen im Bildungssystem wäre ein
wesentlicher Baustein hierfür.“

Die aktuelle Analyse von KfW Research zum Thema
„Generationenwechsel im Mittelstand“ ist abrufbar unter:
http://ots.de/6IlZu

Zur Datenbasis:

KfW Research begleitet die Auswirkungen des demografischen Wandels
auf den Mittelstand seit vielen Jahren. Die aktuelle Analyse basiert
auf einer Sonderauswertung des repräsentativen KfW-Mittelstandspanels
2017, das seit 2003 als Wiederholungsbefragung der kleinen und
mittleren Unternehmen in Deutschland durchgeführt wird. Um der
wachsenden Bedeutung des Generationenwechsels im Mittelstand gerecht
zu werden, wurde die Erhebung entsprechender Daten ab dem Jahr 2017
umgestellt und erheblich ausgeweitet. Zur Grundgesamtheit des
KfW-Mittelstandspanels gehören alle privaten Unternehmen sämtlicher
Wirtschaftszweige, deren Umsatz die Grenze von 500 Mio. EUR pro Jahr
nicht übersteigt. Die Hauptbefragung lief vom 13.02.2017 bis zum
23.06.2017.

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