Gentests unter Versicherungsaspekt: Nur Smalltalk-Thema oder echtes Antiselektionsrisiko?

Köln, 23. April 2015 – Was Gentests über einen Menschen preisgeben und wie dies, neben anderen technologischen Trends, die Arbeit der Versicherungsbranche verändern wird, wurde gestern im Rahmen des RGA-Treffens „Aktuare zum Frühstück“ in Köln diskutiert. Rund 20 Aktuare und Risikoprüfer erörterten die Frage, wie Versicherungsunternehmen in Europa und weltweit sowohl mit den theoretischen Möglichkeiten als auch mit den Risiken, die das massenhafte Sammeln und Auswerten von genetischen und anderen gesundheitsrelevanten Daten aufwirft, umgehen werden.

Gentests in Europa
„Vom ethischen Standpunkt aus betrachtet können Gentests als Zeichen des Niedergangs des Solidaritätsgedankens gesehen werden“, sagte Mick James, RGA UK Business Development Director. Innerhalb Europas sind die beiden vorherrschenden Instrumentarien der Versicherer hinsichtlich Gentests sowohl ein Stillhalteabkommen (Moratorium) als auch ein Verbot zur Verwendung von Testergebnissen. In Großbritannien existiert eine Ausnahme: Testergebnisse zur Huntington-Krankheit müssen angegeben werden, falls die zu versichernde Summe über GBP 500.000 liegt.

Beschaffenheit von Gentests
RGA-Referent James stellte die Ergebnisse seines persönlichen Gentests zur Veranschaulichung von Menge und Art der per Online-Service erhobenen Daten vor. Sein Testergebnis umfasste 249 Einzelpositionen, unterteilt in erhöhte, reduzierte und typische Risiken. James: „Heute sind diese Informationen schon für weniger als 100 US-Dollar zu haben; in 2007 kosteten Gentests noch rund 1.000 US-Dollar.“

Sind Gentests ein Antiselektionsrisiko?
Auch wenn Gentests in vielen Ländern verboten sind, muss davon ausgegangen werden, dass sie grenzüberschreitend für jeden testwilligen Konsumenten verfügbar sind. Mick James wies jedoch darauf hin, dass webbasierte Diagnosetools oder der Austausch im Netz über Erkrankungen, Diagnosen und Therapien nicht unterschätzt werden sollten. Antragsteller, die ihre Erkrankungsrisiken kennen, könnten sich gezielten Versicherungsschutz einkaufen – Stichwort Antiselektion – trotz aller Regelungen zu Datenschutz und Antidiskriminierung. Allerdings zeigen Erfahrungen aus Australien, wo Lebensversicherer bei der Risikoeinschätzung uneingeschränkt die Daten von Gentests verwenden dürfen, bislang keine eindeutige Auswirkung auf die Annahmequote – auch wegen der (noch) geringen Anzahl der verfügbaren Gentests.

Fazit
Ob Gentests in Europa generell nur ein Smalltalk-Thema bleiben oder größere Bedeutung erlangen werden, ist derzeit ungewiss. In Deutschland ist der Umgang mit Gentests durch das Gendiagnostikgesetz und ein Moratorium der Versicherungsbrache klar reglementiert. „Jedes Land sollte aber für sich eine ehrliche politische und gesellschaftliche Diskussion darüber führen, wie ihr zukünftiges Leben aussehen soll“, so James. „Wir werden die Entwicklung nicht aufhalten, aber wir können sie beeinflussen.“ Allerdings deuten sich weitere Trends in der Verfügbarkeit und Auswertbarkeit von Gesundheitsdaten an, die von der Versicherungsbranche ernst genommen werden müssen.