Halbjahreszahlen / Zur Lage der deutschen Luftfahrt

Der Halbjahresbericht umfasst die Zahlen im gerade abgelaufenen
ersten Halbjahr 2015.

– Die Aussichten für den internationalen Luftverkehr 2015 sind
tendenziell zwar positiv, aber auch im ersten Halbjahr des
Jahres wird deutlich, dass die deutschen Airlines entschieden
langsamer wachsen als ihre Konkurrenten in Europa und in anderen
Weltregionen.

– Auch die deutschen Flughäfen liegen trotz Wachstums bei den
Passagierzahlen im Vergleich zu den meisten europäischen
Nachbarstaaten zurück.

– Der Frachtverkehr tritt – vom wachsenden Expressgeschäft einmal
abgesehen – im Durchschnitt an den deutschen Flughäfen auf der
Stelle, während er weltweit wächst.

– Die Flugbewegungen nehmen in Deutschland wieder zu.

– Weltweit erzielten Airlines im Durchschnitt eine operative Marge
in Höhe von +4,6%.

– Die deutschen Fluggesellschaften erwirtschafteten dagegen nur
einen operativen Gewinn in Höhe von +0,9% vom Umsatz.

– Die Kostenbelastung durch die deutsche Luftverkehrsteuer betrug
im Jahr 2014 im Durchschnitt 1,7% vom Umsatz – und war damit
fast doppelt so hoch wie die operative Marge.

– Die vier deutschen Airlines haben seit Einführung der
Luftverkehrsteuer 2.395 Millionen Euro an den Fiskus gezahlt.
Dieses Geld fehlt für die Investitionen in lärmärmere und
energieeffizientere Flugzeuge.

– Wie stark eine solch zusätzlich Besteuerung des Luftverkehrs die
Entwicklung des Luftverkehrs eines Landes hemmt, zeigt sich,
wenn diese Steuer abgeschafft wird. In Irland, wo der Steuersatz
seit dem 1. April 2014 null Euro beträgt, boomt derzeit der
Luftverkehr mit +13,0%.

I. PASSAGIERVERKEHR

1. Verkehrsentwicklung bei den deutschen Airlines

Der Aufwärtstrend im globalen Passagierluftverkehr hält nach
Angaben des internationalen Airline-Verbands, IATA, unverändert an.
Diese Aussage bezieht sich auf die aktuellen IATA-Zahlen, die
zeitgleich mit dem vorliegenden Bericht veröffentlicht werden:

In den ersten sechs Monaten diesen Jahres wuchs der Luftverkehr
weltweit um +6,3% – gemessen in verkauften Personenkilometern.

Die größten Wachstumsraten weisen unverändert Airlines aus dem
Nahen Osten mit +11,3%, aus dem asiatisch-pazifischen Raum mit +9,1%
und aus Lateinamerika mit +6,0% auf.

Deutlich darunter liegen die nordamerikanischen Airlines, die nur
um +3,2% zulegten sowie die afrikanischen Airlines, deren verkaufte
Verkehrsleistung um -2,0% sank.

Die Airlines in Europa wuchsen mit +4,8% unterdurchschnittlich,
deutlich hinter dem Wachstum in Asien und dem Nahen Osten.

Die deutschen Fluggesellschaften – das sind die LH-Gruppe, die
airberlin-Gruppe, TUIfly und Condor – konnten allerdings selbst mit
dem unterdurchschnittlichen Wachstum europäischer Wettbewerber nicht
mithalten:

Insgesamt konnten die deutschen Airlines in den vergangenen sechs
Monaten nur +2,5% zulegen. Damit wuchsen sie nur halb so stark wie
die europäischen Wettbewerber (gemessen in verkauften
Personenkilometern).

Da die deutschen Fluggesellschaften zeitgleich ihr Angebot um nur
+2,0% anhoben, erhöhte sich die Auslastung (der sogenannte
Sitzladefaktor) um +0,4 Prozentpunkte von 79,9% in den ersten sechs
Monaten 2014 auf nunmehr 80,3%

Der Durchschnitt der Auslastung lag in den ersten sechs Monaten
weltweit bei 79,4% und europaweit bei durchschnittlich 79,8%. Die
deutschen Airlines bewiesen damit erneut ein überdurchschnittlich
gutes Kapazitätsmanagement.

Die ersten beiden Quartale eines Jahres sind für die Airlines
grundsätzlich schwächer als das übrige Jahr. Für das Gesamtjahr 2015
rechnen wir bei den deutschen Airlines konsolidiert daher mit einem
noch höheren Wert (Gesamtjahr 2014: 81,7%).

Die Zahl der von deutschen Airlines bzw. deutschen Airline-Gruppen
weltweit beförderten Passagiere erhöhte sich um +0,8% von 71,2
Millionen in den ersten sechs Monaten 2014 auf 71,8 Millionen im
ersten Halbjahr 2015.

Im Vergleich mit bedeutenden Wettbewerbern ist der Zuwachs von
+0,8% sehr gering:

– So wuchs Turkish Airlines im gleichen Zeitraum um +8,5%
– Die IAG-Gruppe (inkl. Vueling) steigerte ihre Passagierzahl um
+8,9%
– Die Low-Cost-Carrier Easyjet mit +5,6% und
– Ryanair sogar mit +20,3%

Die außereuropäischen Wettbewerber im Nahen Osten veröffentlichen
unterjährig keine Verkehrszahlen. Doch der dortige außergewöhnliche
Wachstumstrend dürfte sich weiterhin fortgesetzt haben. Die hohen
Wachstumsraten der jeweiligen Hubflughäfen dieser Airlines legen
diese Vermutung nahe: Von Januar bis Mai wuchsen die drei großen
Flughäfen am Golf zusammen um +12,1%.

2. Passagierzahlen an den deutschen Flughäfen:

Nach Angaben des Flughafenverbandes ADV begrüßten die 22
internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland +4,4% mehr
Passagiere als im gleichen Vorjahreszeitraum. Exakt waren es
100.344.257 Fluggäste.

Die interkontinentalen Verkehre nahmen um +3,6%, zu.

Am stärksten wuchsen die Verkehre zu europäischen Zielen mit
+5,6%. Der Europaverkehr ist für rund zwei Drittel des Aufkommens
verantwortlich.

Der Flugverkehr zu innerdeutschen Zielen wuchs um +2,0%.

Wie sieht das Wachstum in Deutschland im europäischen Vergleich
aus?

Vorbemerkung: Die Vergleichszahlen (Quelle: anna.aero) beruhen zum
großen Teil auf dem Zeitraum Januar bis Juni. Zum Teil sind die
Juni-Zahlen noch nicht veröffentlicht. In diesen Fällen wurde nur der
Zeitraum Januar bis Mai mit dem gleichen Vorjahreszeitraum
verglichen:

Die Flughäfen in bedeutenden westeuropäischen Nachbarländern
wachsen – wie schon in den Vorjahren – stärker als die Flughäfen in
Deutschland:

Belgien +9,7%
Luxemburg +6,7%
Großbritannien +5,5%
Italien +5,4%
Niederlande +5,4%
Spanien + 5,2%

Auf der Nachbarinsel Irland ist eine besonders bemerkenswerte
Entwicklung zu beobachten: Hier hatte die irische Regierung
entschieden, zum 1. April 2014 die dortige Luftverkehrsabgabe auf
null Euro zu senken. Welche Wachstumsimpulse die Befreiung von dieser
Abgabe auslöst, lässt sich an dem außergewöhnlich hohen Wachstum von
+13,0% in den ersten sechs Monaten ablesen.

Lediglich der Luftverkehr in Nordeuropa stagniert nach Jahren
überdurchschnittlich hohen Wachstums in den ersten fünf Monaten
dieses Jahres: Schweden mit +2,0% wächst dort noch am stärksten,
gefolgt von den finnischen Flughäfen mit +1,7%. Dänemark mit -0,2%
und Norwegen mit -1,8% haben sogar absolute Passagierverluste im
Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen.

Nach Jahren unterdurchschnittlichen Wachstums gelingt es den
deutschen Flughäfen in den ersten sechs Monaten also zumindest wieder
Anschluss an wichtige Luftverkehrsmärkte in Europa zu finden. Dennoch
ist auffällig, dass Deutschland als wirtschaftliche
Wachstumslokomotive in Europa im Luftverkehr lediglich Mittelmaß
bleibt.

II. FRACHTVERKEHR

1. Frachtentwicklung bei den Airlines

Die Frachtverkehre – gemessen in Frachttonnenkilometern – wuchsen
nach IATA-Angaben weltweit um +3,5%.

Erneut sind es Airlines aus dem Nahen Osten und aus Asien, die mit
+14,0% bzw. +5,4% das größte Wachstum aufwiesen.

Europäische Frachtcarrier mit -0,6% folgen erst mit großem Abstand
nach afrikanischen und nordamerikanischen Anbietern auf dem
vorletzten Platz. Schlusslichter sind weit abgeschlagen die
lateinamerikanischen Wettbewerber mit -6,9%.

2. Frachtentwicklung bei den deutschen Flughäfen

Der Frachtverkehr auf den deutschen Flughäfen stagniert beinahe:
Laut ADV-Statistik wurden 2.174.104 Mio t (an+ab) Luftfracht
abgefertigt. Das entspricht einem Wachstum von nur +0,4% gegenüber
dem gleichen Vorjahreszeitraum. Vor allem wächst hier das Segment der
Expressfracht deutlich.

Das sehr geringe Frachtwachstum auf deutschen Flughäfen kommt
allein von den Einladungen, d.h. den Exportwaren, die im
Jahresvergleich um +1,3% wuchsen. Die Ausladungen, also Importwaren,
waren hingegen um- 0,5% rückläufig.

Auch absolut betrachtet überwogen die Einladungen mit 1,15
Millionen Tonnen die Ausladungen mit 1,02 Millionen Tonnen. Dies
spiegelt die Struktur des deutschen Außenhandels wider, bei dem die
Exporte absolut betrachtet leicht über den Importen liegen.

Im europäischen Vergleich ging neben Paris-Charles de Gaulle mit
-5,4% (bis einschließlich Mai) auch die in Amsterdam umgeschlagene
Tonnage um -2,1% zurück. Von weiteren wichtigen Wettbewerbsflughäfen
haben allen voran Brüssel mit +9,7%, London-Heathrow mit +2,1% und
Luxemburg mit +1,7% zulegen können (jeweils bis einschließlich Juni).

III. FLUGBEWEGUNGEN

1. Entwicklung an den deutschen Flughäfen

An den 22 ADV-Flughäfen war die Zahl der Flugbewegungen in den
Vorjahren rückläufig, weil die Airlines neue größere Flugzeuge
einsetzen konnten. Die Zahl der Passagiere wuchs dabei mit weniger
Flügen.

Bereits im Jahr 2014 wurde dieser Rückgang der Flugbewegungen
gestoppt. Das Sitzangebot auch der größeren Flugzeuge reichte nicht
mehr aus. Es mussten zusätzliche Flugzeuge eingesetzt werden.

In den ersten Monaten des Jahres 2015 ist nach ADV-Angaben wieder
ein leichtes Bewegungsplus von +0,4% zu beobachten, auf nunmehr knapp
980.000 Starts und Landungen.

IV. WETTBEWERB UND WETTBEWERBLICHE RAHMENBEDINGUNGEN

1. Situation der deutschen Airlines

Luftverkehr ist ein internationaler Wettbewerbsmarkt: 2014
steuerten rund 80% aller Einsteiger auf deutschen Flughäfen ein
internationales Ziel an. Drei Viertel davon ein Ziel in Europa, ein
Viertel ein Ziel in Übersee. Luftfracht ist praktisch ausschließlich
ein internationales Geschäft. Insgesamt bieten über 100 Airlines in
Deutschland Passagieren und Versendern ihre Dienste an.

In diesem harten internationalen Wettbewerb wird es immer schwerer
wirtschaftlich zu bleiben. Dazu ein Blick auf die Zahlen des
internationalen Fluggesellschaftsverbands IATA.

Weltweit erzielten Airlines im Durchschnitt eine operative Marge –
das ist der operative Gewinn im Verhältnis zum Umsatz – in Höhe von
+4,6%.

Am profitabelsten waren 2014 die Fluggesellschaften in Nordamerika
mit einer operativen Marge in Höhe von +9,7 %. Danach folgen die
europäischen Airlines mit einer Marge von +3,0%, noch vor
Asien-Pazifik mit +2,6%, Lateinamerika mit +1,8% und den Airlines aus
dem Nahen Osten mit +1,5%.

Die deutschen Airlines – das sind die beiden berichtspflichtigen
Fluggesellschaften airberlin und Lufthansa – konnten auch 2014 mit
diesen Werten nicht mithalten: Erneut erwirtschafteten sie nur
unterdurchschnittliche + 0,9% vom Umsatz.

Dafür sind auch die spezifischen deutschen Alleingänge wie
kürzeste Betriebszeiten, die Flugsicherungskosten (die Pensionslasten
der Deutschen Flugsicherung werden anders als in anderen
EU-Mitgliedstaaten auf die Nutzerentgelte aufgeschlagen) und vor
allem die Luftverkehrsteuer mit verantwortlich. Die Kostenbelastung
allein durch diese Steuer betrug im Jahr 2014 im Durchschnitt 1,7%
vom Umsatz – und war somit fast doppelt so hoch wie die operative
Marge!

Zum Vergleich: Vor Einführung der Steuer lag die operative
Umsatzmarge deutscher Airlines zwischen den Jahren 2006 – 2010 im
Durchschnitt bei +2,2%.

In den ersten sechs Monaten entrichteten die deutschen Unternehmen
erneut insgesamt 259,1 Millionen Euro der 416 Millionen Euro
Luftverkehrsteuer, die der Finanzminister in diesem Zeitraum einnahm.
Sie trugen damit wieder mehr als die Hälfte der Gesamtlast der
deutschen Luftverkehrssteuer.

Seit Einführung dieser Steuer sind es nunmehr 2.395 Millionen
Euro, die die deutschen Airlines an den Fiskus zahlen mussten.

Hierdurch wurden ihnen Finanzmittel entzogen, die z.B. für den
Kauf von 34 besonders energiesparsamen und leisen Airbus A320 neo
gereicht hätten.

2. Situation der deutschen Flughäfen

Auch die Flughäfen stehen in hartem Wettbewerb zu ausländischen
Wettbewerbern: Die Hubflughäfen in Deutschland konkurrieren
insbesondere bei den Umsteigern mit Hubflughäfen im europäischen und
außereuropäischen Ausland. Auch die übrigen Flughäfen in Deutschland
liefern sich insbesondere im grenznahen Bereich mit ausländischen
Flughäfen an der Grenze zu Deutschland einen starken Wettbewerb. Seit
Einführung der Luftverkehrsteuer haben deutsche Flughäfen bis Ende
2014 nahe der Grenze ein Passagierminus von 0,5% zu beklagen, während
Flughäfen im grenznahen Ausland Passagierzuwächse von 46,3%
verzeichnen können (Quelle: BDL).

Trotz dieser intensiven Wettbewerbslage weisen nunmehr 8 von 22
Flughäfen in Deutschland einen Gewinn nach Steuern auf. Das heißt:
Sie erwirtschaften nicht nur ihre laufenden Betriebskosten, sondern
zusätzlich auch die Kosten für die Infrastruktur.

V. AUSBLICK

Die Planungen der deutschen und ausländischen Fluggesellschaften
für die nächsten Monate sowie für den nächsten Winterflugplan stehen
bzw. sind so gut wie abgeschlossen. Es zeichnet sich dabei ab, dass
der Aufbau neuer Strecken sowie die Erhöhung von Frequenzen vor allem
von Seiten ausländischer Fluggesellschaften erfolgen. Einige andere
Fluggesellschaften werden vereinzelt ihr Flugangebot kürzen müssen,
nach jetzigem Stand jedoch in geringerem Umfang. Somit dürften die
Passagierzahlen wie auch die Flugbewegungen insgesamt an den
deutschen Flughäfen in den verbleibenden Monaten zunehmen.

Die Entwicklung des Frachtverkehrs ist weiterhin schwer
prognostizierbar: Im Teilmarkt der Expressfracht dürfte das Wachstum
aufgrund des weiterhin zunehmenden Onlinehandels zwar anhalten; doch
in der allgemeinen Luftfracht überwiegen die Unsicherheiten
hinsichtlich der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen in
wichtigen Luftfrachtmärkten wie z.B. in China. Der weiterhin schwache
Euro spricht für eine bessere Entwicklung der Exporte, d.h. der
Einladungen, in den Nicht-Euroraum.

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) wurde
2010 als gemeinsame Interessenvertretung der deutschen
Luftverkehrswirtschaft gegründet. Mitglieder des Verbandes sind die
Fluggesellschaften, Flughäfen, die Deutsche Flugsicherung und weitere
Leistungsanbieter im deutschen Luftverkehr. Die
Luftverkehrswirtschaft ermöglicht Mobilität für jährlich über 200
Mio. Fluggäste und trägt mit dem Transport von Waren im Wert von über
200 Mrd. EUR zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland bei.
Die Luftfahrt beschäftigt in Deutschland mehr als 800 000 Menschen.

Kontakt:
Dr. Christine Kolmar
Leiterin Kommunikation
E-Mail: christine.kolmar@bdl.aero
Telefon: +49 (0)30 520077-115
Mobil: +49 (0)173 5490 629