Ein Kommentar von Thomas Frankenfeld
Die arabischen Völker hätten es viel schwerer mit ihren
Revolutionen als die osteuropäischen vor zwei Jahrzehnten, sagt
Vaclav Havel, ehemals inhaftierter Dissident und später tschechischer
Staatspräsident. Denn die 89er-Rebellen in Europa hätten sich
immerhin auf gewisse demokratische Traditionen stützen können. Vor
allem aber hatten sie nicht jenen Ballast, der zum Beispiel auf der
Entwicklung in Ägypten lastet. Dort ist der gemeinsame Feind Mubarak
verjagt, die Euphorie klingt ab und alte Gegensätze brechen wieder
auf – wie jene zwischen koptischen Christen und Muslimen. Der Umsturz
in Kairo war nicht religiös oder ethnisch motiviert – wir sind doch
ein Volk, lautete der uns Europäern wohlbekannte Schlachtruf. Die nun
wieder aufgeflammte Gewalt gegen die Kopten basiert jedoch auf
religiöser Intoleranz; Auslöser war bezeichnenderweise die
Liebesbeziehung von einer Muslimin mit einem Kopten. Das Leben der
ohnehin benachteiligten Christen ist gefährlicher geworden, während
die ebenfalls unter Mubarak ausgegrenzten Muslimbrüder Morgenluft
wittern. Triebkraft für antichristliche Pogrome ist auch
radikalislamisches Gedankengut, das ägyptische Gastarbeiter aus
Saudi-Arabien eingeschleppt haben. Es wird jedoch kaum möglich sein,
eine Zivilgesellschaft in Ägypten aufzubauen, ohne zunächst derartige
Feindseligkeiten beizulegen.
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