Mit einem „Konzept zur Neuausrichtung der
Grundsicherung für Arbeitslose“ mischt sich der Paritätische
Wohlfahrtsverband in die aktuelle parteiübergreifende Debatte zur
Überwindung von Hartz IV ein. Der Verband fordert einen konsequenten
Paradigmenwechsel, der mit dem negativen Menschenbild, das dem System
Hartz IV zu Grunde liege, bricht, und Respekt und die Würde des
Menschen in das Zentrum des Hilfe- und Unterstützungssystems für
Arbeitslose rückt. Insgesamt elf konkrete Reformmaßnahmen schlägt der
Paritätische vor, die von einer Stärkung der
Arbeitslosenversicherung, über die Abschaffung von Sanktionen und den
Ausbau von Qualifizierungs- und öffentlichen Beschäftigungsangeboten
bis hin zu einer Anhebung der Regelsätze auf ein menschenwürdiges
Niveau reichen. Nach einer aktuellen Expertise der Paritätischen
Forschungsstelle ist dafür eine Anhebung der Regelsätze für
Erwachsene auf 571 Euro (statt derzeit 416 Euro) erforderlich.
Darüber hinaus fordert der Verband die Einführung einer
existenzsichernden Kindergrundsicherung.
Hartz IV sei gefloppt, konstatiert der Paritätische. Zwar sei mit
guter Konjunktur und entsprechend guter Arbeitsmarktlage über die
Jahre die Zahl der offiziell gezählten Langzeitarbeitslosen
zurückgegangen, 42 Prozent der Langzeitarbeitslosen sei jedoch schon
länger als vier Jahre im Bezug und über eine Million Menschen bereits
seit Einführung des Systems auf Leistungen angewiesen. Die faktische
Vermittlungsquote der Arbeitsverwaltung bei arbeitslosen Hartz
IV-Beziehern liege bei lediglich etwa fünf Prozent. Die
Regelleistungen schützten zudem in keiner Weise vor Armut.
Entsprechend gering sei die Akzeptanz in der Bevölkerung. „Hartz IV
steht in der Bevölkerung längst nicht mehr für Hilfe. Hartz IV wird
heute ganz überwiegend als ein System wahrgenommen, das im besseren
Fall von Tristesse und im schlechteren Fall von Sanktionierungen
gekennzeichnet ist“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des
Paritätischen Gesamtverbands.
Der Verband fordert vor diesem Hintergrund unter dem Motto „Hartz
IV hinter uns lassen“ eine konsequente Neuausrichtung der
Grundsicherung für Arbeitslose. „Es ist Zeit, zu brechen mit der
misanthropischen Grundhaltung und dem negativen Menschenbild der
Hartz-Gesetze, mit dem der Sanktionsapparat, aber auch die unter der
Armutsgrenze liegenden Geldzuwendungen begründet werden“, so Ulrich
Schneider. Der Leitsatz des Förderns und Forderns sei mit Blick auf
die Realitäten nur noch ein Euphemismus. „Kompass für Reformen muss
der Respekt vor dem Mittel- und Arbeitslosen und seinen Angehörigen
sein. Menschenwürde und Individualität statt
Massenverwaltungstauglichkeit, Hilfe statt Strafe sind die
Leitlinien, an denen sich echte Reformen der Grundsicherung für
Arbeitssuchende orientieren müssen.“
Notwendig seien u.a. eine Stärkung der Arbeitslosenversicherung
und der Umbau der Arbeitsförderung von dem bisherigen Sanktionssystem
zu einem echten Hilfesystem. Der Paritätische fordert in seinem
Elf-Punkte-Programm dazu unter anderem die Abschaffung der
Sanktionen, den massiven Ausbau von Qualifizierungs- und
Arbeitsfördermaßnahmen sowie den Aufbau eines sozialen
Arbeitsmarktes. „Nur indem wir den Menschen wieder in den Mittelpunkt
stellen und ihn in seinen individuellen Fähigkeiten, aber auch in
seinem individuellen Unvermögen annehmen, kann es uns gelingen, ein
System zu schaffen, das von Respekt und Rücksicht geprägt ist und
zugleich Potentiale von Menschen zu entdecken und zu fördern in der
Lage ist“, so Schneider.
Darüber hinaus fordert der Paritätische als Sofortmaßnahme die
Erhöhung der Regelsätze um 37 Prozent und die Einsetzung einer
unabhängigen Kommission, die sich mit der Frage des Mindestbedarfes
von Menschen und seiner Bemessung in grundlegender Weise
auseinandersetzt. Die Neuausrichtung der Grundsicherung müsse zudem
zwingend mit der Einführung einer allgemeinen existenzsichernden
Kindergrundsicherung verknüpft werden.
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