Der Politologe Jürgen Falter sieht in der Wahl
von Ralph Brinkhaus zum neuen Unionsfraktionschef und der Abwahl
Volker Kauders den Ausdruck einer tief sitzenden Frustration
innerhalb der Fraktion. Falter sagte der „Heilbronner Stimme“
(Mittwoch): „Es ist von außen her natürlich schwer zu sagen, wie viel
Anteil der Unwille über Kauder und wie hoch der Anteil des
Denkzettels, den man Merkel verpassen wollte, an der Entscheidung
hat. Beides dürfte zusammengekommen sein, weswegen Kauder nicht mehr
gewählt wurde. Ich glaube, die Sehnsucht nach einer anderen Form der
Fraktionsführung und nach mehr Eigenständigkeit der Fraktion
gegenüber dem Bundeskanzleramt hat hier einen nicht zu
unterschätzende Rolle gespielt. Es ist ja auch für eine
Regierungsfraktion auf Dauer geradezu frustrierend, immer nur der
Vollziehungsgehilfe des Bundeskanzleramtes und einer übermächtigen
Parteivorsitzenden zu sein. Kauder war in dieser Hinsicht ein
ausgesprochen willfähriger Vollstrecker der Direktiven und
Absprachen, die aus dem Kanzleramt, dem Koalitionsausschuss und aus
der CDU-Parteizentrale kamen. Das haben ihm viele übel genommen.“
Falter ergänzte: „Übersehen werden sollte allerdings nicht, dass
auch ein gerüttelt Maß an Merkel-Denkzettel in der Entscheidung
enthalten sein dürfte. Nicht alle Abgeordneten der Unionsfraktion
waren mit der Flüchtlingspolitik Merkels einverstanden, und viele
zeigten sich hinter vorgehaltener Hand, aber auch immer offener
frustriert über die Art, wie die Koalition zusammenarbeitete bzw.
sich gegenseitig bekriegte. Frustriert war man auch darüber, dass
Angela Merkel die Sachen scheinbar treiben ließ und nicht in der Lage
zu sein schien, Probleme geräuschlos im Vorfeld zu beseitigen – was
natürlich bei einem Koalitionspartner wie Seehofer und einer
profilneurotischen SPD schwer ist. Da Merkel auch kein Garant mehr zu
sein scheint, Wahlen zu gewinnen, hat ihr Standing nicht nur in der
Öffentlichkeit und bei den einfachen Parteimitgliedern, sondern auch
in der Fraktion sichtlich gelitten. Das dürfte schon ein wenig
Merkel-Dämmerung sein, was wir hier bemerken.“
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