junge Welt: Andere Eigentumsverhältnisse/ Tageszeitung junge Welt wird 70 Jahre alt – und ist saniert

An diesem Wochenende wird die in Berlin
erscheinende überregionale Tageszeitung junge Welt 70 Jahre alt.
Dabei schien bereits im April 1995 das Ende der einst
auflagenstärksten Zeitung der DDR besiegelt. Mittlerweile ist es der
Zeitung gelungen, die verkaufte Auflage wieder auf 20.000 Exemplare
zu steigern und ihren Verlag auf ökonomisch stabile Grundlagen zu
stellen. Verlagsgeschäftsführer Dietmar Koschmieder führt das nicht
nur auf die Inhalte der Zeitung, sondern auch auf die besonderen
Eigentumsverhältnisse der Zeitung zurück.

Am 12. Februar 1947 erscheint die erste Ausgabe der Jungen Welt.
Die Redaktion arbeitet in einem halb zerstörten Haus in der Berliner
Kronenstraße. Aus der Wochenzeitung wird eine Tageszeitung und das
Organ des Zentralrats der FDJ – Zielgruppe sind Jungleser im Alter
von 14 bis 18 Jahren. Dabei bleibt es aber nicht, mit täglich bis 1,5
Millionen Exemplaren entwickelt sie sich zur auflagenstärksten
Zeitung der DDR. Das ändert sich rasch in den Jahren nach 1989. Der
Verlag der Zeitung wird wie die meisten sozialistischen Betriebe
filetiert und aufgelöst. Interessante Produkte wie die Tageszeitung
Junge Welt bieten die Abwickler Westinvestoren an. Den Zuschlag
bekommt eine Westberliner Mediengruppe. Es folgen wirre Jahre mit
diversen Verlagskonstruktionen, Eigentümerwechseln, Auslagerungen von
Teilbereichen, nur ein klares inhaltliches Profil ist nicht
erkennbar. Die Auflage der Jungen Welt sinkt. Es gibt Überlegungen,
die Zeitungen Junge Welt, Neues Deutschland und Freitag zur
Ostdeutschen Tageszeitung zusammenzulegen mit Hermann L. Gremliza,
Gregor Gysi und Günter Gaus als Herausgeber. Auch daraus wird nichts,
immerhin entwickelt Gremliza ein brauchbares inhaltliches Konzept für
die Junge Welt, das dann im Mai 1994 umgesetzt wird. Zwar
interessieren sich durch diese Veränderungen erstmals Leser auch in
den alten Bundesländern für das Blatt, die verkaufte Auflage der
jungen Welt schrumpft trotzdem weiter. Am 5. April 1995 teilen die
Westeigentümer der Belegschaft mit, dass die Zeitung eingestellt
wird.

Aber es kommt anders: Betriebsratsvorsitzender Dietmar Koschmieder
gründet gemeinsam mit einem Kollegen den Verlag 8. Mai GmbH, nur
wenige Tage später wird die Produktion der jungen Welt wieder
aufgenommen. Länger dauert es, bis die eigene Genossenschaft
eingetragen und genügend Kapital eingesammelt hat: Im März 1998
übernimmt die Genossenschaft LPG junge Welt eG mit 52 Prozent die
Mehrheit am Stammkapital der Verlag 8. Mai GmbH, Geschäftsführer
Koschmieder bleibt mit 48 Prozent Minderheitsgesellschafter. Die
Genossenschaft gewährt Kredite, finanziert Investitionen, hilft bei
bilanzieller Überschuldung. Seit der Jahrtausendwende kann die junge
Welt auf eine stabile Aboentwicklung bauen – auch weil sich die
Nutzer der Onlineausgabe über Onlineabos an den Kosten beteiligen.
Aber nicht nur die Abobestände, auch die Einzelverkäufe wachsen
bescheiden. Im April 2016 wird durch einen zweiten Druckstandort
abgesichert, dass die junge Welt in ganz Deutschland, in Österreich
und der deutschsprachigen Schweiz im Einzelhandel erhältlich ist.

Bis dahin führen Verlag und Genossenschaft die Geschäfte streng
getrennt. Bis Ende 2015 hat sich in den Verlagsbilanzen ein nicht
gedeckter Fehlbetrag von über 950.000 Euro angehäuft. Im November
2016 beschließt deshalb eine außerordentliche Vollversammlung der
Genossenschaft ein Sanierungsprogramm mit der Absicht, bis zum 70.
Geburtstag der jungen Welt den Verlag zu stabilisieren. Laut
Geschäftsführer sind diese Pläne nun umgesetzt: Das Stammkapital des
Verlages beträgt jetzt 286.000 Euro, die angesammelten Schulden
wurden durch einen Verzicht der Genossenschaft um 355.000 Euro
reduziert. Und bisherige Genossenschaftskredite in Höhe von weiteren
500.000 Euro sind in eine stille Einlage beim Verlag umgewandelt
worden. Eine weitere Folge der Entwicklung: Der Genossenschaft gehört
heute 95,4 Prozent des Stammkapitals der Verlag 8. Mai GmbH.
Koschmieder bleibt Minderheitsgesellschafter mit 4,6 Prozent Anteil.

„Diese Entwicklung war nur möglich, weil die Leserinnen und Leser
der jungen Welt eine Zeitung, die sich seit 70 Jahren der Sache des
Friedens, der Völkerverständigung und sozialen Gerechtigkeit
verpflichtet fühlt, gerade heute auf keinen Fall missen mögen“,
kommentierte Koschmieder.

Pressekontakt:
junge Welt
Redaktion
Telefon: 030 / 53 63 55-0
redaktion@jungewelt.de
Download Pressekit:
http://jungewelt.de/downloads/Motive jW 1947-2017.zip

Original-Content von: junge Welt, übermittelt durch news aktuell