Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Überraschend
hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag geurteilt, dass
Schutzabkommen für Investoren nicht mit der Rechtsprechung der
europäischen Wirtschaftsunion vereinbar sind.
Geklagt hatte der niederländische Versicherungskonzern Achmea. Die
Manager wollten ihre Gewinnansprüche in der Slowakei geltend machen.
Dabei bezogen sie sich auf das »Abkommen zur Förderung und zum Schutz
von Investitionen« (BIT), das 1991 die Regierung der Niederlande mit
der damaligen Führung der Tschechoslowakei vereinbart hatte. Sollte
der Fall eintreten, dass sich ein Investor der einen Vertragspartei
mit der anderen Seite uneins werde, könnte in letzter Instanz ein
privates Schiedsgericht eine finale Entscheidung treffen, heißt es
darin.
2004 privatisierte Bratislava die Krankenversicherung. Achmea sah
seine Chance gekommen und gründete eine slowakische Tochter. Doch
zwei Jahre später machte Bratislava die »Reform« teilweise rückgängig
und untersagte insbesondere die Ausschüttung von Gewinnen aus dem
Krankenversicherungsgeschäft. 2008 strebte Achmea ein
Schiedsverfahren an; vor einem deutschen Gericht – im Herzen der
Kapitalunion. In Frankfurt am Main befanden die Schiedsrichter,
Bratislava habe den Versicherer mit 22,1 Millionen Euro zu
entschädigen. Die slowakische Regierung erhob Einspruch, der
Bundesgerichtshof überwies die Klage nach Luxemburg.
Am Dienstag befanden die dortigen Richter, im BIT sei ein
Mechanismus geschaffen worden, »der nicht sicherzustellen vermag,
dass über diese Streitigkeiten ein zum Gerichtssystem der Union
gehörendes Gericht befindet«.
Sigmar Gabriel (SPD) dürfte es aus den Latschen gekippt haben. Er
hatte sich als Wirtschaftsminister vehement für einen ständigen
Schiedsgerichtshof im Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada
(CETA) eingesetzt. Die Luxemburger Richter stellten das gesamte
Konstrukt des »Freihandels« in Frage. Die Klage auf entgangene
Gewinne, die der schwedische Energieriese Vattenfall gegen die
Bundesrepublik wegen des »Atomausstiegs« anstrebt, könnte damit auch
vom Tisch sein.
Das hätte die Bundesregierung auch billiger haben können. Der
Deutsche Richterbund hatte bereits im November vergangenen Jahres
Berlin aufgefordert, der EU-Kommission »das geforderte Mandat für
Verhandlungen zur Errichtung eines Multinationalen
Investitionsgerichts (MIC) zu verweigern«. Internationaler Schutz für
Konzerne bedürfe »klarer materiell-rechtlicher Vorgaben, die bisher
fehlen«.
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