Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
Volker Kauder, hat sich in einem Interview mit der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung zu den laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen
Union und SPD geäußert. Der Union gehe es dabei vor allem um zwei
Ziele: „keine neuen Schulden und keine Steuererhöhungen.“ Außerdem
dürften durch die Beschlüsse Wachstum und Beschäftigung nicht
gefährdet werden. Das Interview hat folgenden Wortlaut:
Frage: Bis vor kurzem, Herr Kauder, waren Sie doch der Auffassung,
die SPD werde eher mit der Linkspartei ein Bündnis eingehen als mit
der Union eine Regierung bilden. Was sagen Sie nun? Volker Kauder:
Die Wähler haben eindeutig entschieden und der Union den
Regierungsauftrag gegeben. Das hat auch die SPD zur Kenntnis
genommen. Rot-Rot-Grün hätte im Bundestag nur ganz wenige Stimmen
Vorsprung. Die hätten für eine Regierungsbildung nicht ausgereicht.
Frage: Sie sagten auch, die SPD würde eine große Koalition
frühzeitig sprengen. Vertrauen Sie Sigmar Gabriel? Kauder: Die
Sondierungsgespräche haben gezeigt, dass wir eine Basis haben, eine
stabile Regierung für vier Jahre zu bilden.
Frage: Nennen Sie Frank-Walter Steinmeier schon Ihren Freund wie
bis in den September hinein Rainer Brüderle? Kauder: Rainer Brüderle
habe ich seit vielen Jahren gekannt. Mit Peter Struck war während der
letzten großen Koalition die Freundschaft gewachsen. Mit Frank-Walter
Steinmeier habe ich schon wichtige Gesetzesvorhaben vertrauensvoll
vorangebracht. Als Beispiel nenne ich das Organspendegesetz. Ich kann
gut mit ihm zusammenarbeiten. Allerdings ist die Frage ja noch offen,
wie es im Laufe der Regierungsbildung personell bei der SPD
weitergeht.
Frage: Wie wichtig ist das persönliche Auskommen der Vorsitzenden
von Koalitionsfraktionen im parlamentarischen Alltag? Würden Sie es
auch mit Gabriel oder Andrea Nahles aushalten? Kauder: Ein gutes,
auch persönliches Vertrauensverhältnis zwischen den
Fraktionsvorsitzenden erleichtert die Arbeit ungemein. Man muss
selbstverständlich mit jedem Fraktionsvorsitzenden des
Koalitionspartners gut zusammenarbeiten.
Frage: Künftig werden die Koalitionsfraktionen über eine
80-Prozent-Mehrheit im Bundestag verfügen. Jeder Abgeordnete wird
sich bei jeder Frage auf sein Gewissen berufen können und damit
abweichendes Stimmverhalten begründen, ohne dass die
Regierungsmehrheit gefährdet wäre. Wie wollen Sie da in Ihrer
Fraktion für Disziplin sorgen? Kauder: Das wird eine der ganz großen
Aufgaben beider Fraktionsvorsitzenden sein. Ich bin überzeugt davon,
dass dies gelingen wird.
Frage: Durch Zwangsmaßnahmen? Kauder: Nein, durch Werben für die
richtige Einstellung. Auch in einer großen Koalition müssen CDU und
CSU als Einheit auftreten, sonst verliert die Union bei den Bürgern
schnell an Glaubwürdigkeit.
Frage: Wie groß ist Ihr Bedauern, dass sich die Grünen als nicht
koalitionsfähig ansahen? Kauder: Politik beginnt mit dem Betrachten
der Wirklichkeit. Die Grünen wollten nicht. Das nehme ich zur
Kenntnis. Ich glaube aber, dass die Grünen eine große Chance vergeben
haben.
Frage: Zwölf Arbeitsgruppen haben Sie zur Vorbereitung der
Koalition gebildet. Nun schreibt jede ihre Wünsche auf. Wer soll das
bezahlen? Kauder: Die drei Parteivorsitzenden sind jetzt auf die
Bremse getreten. Wir – das heißt auch die Fraktionsspitzen – werden
mehr darauf achten, dass die Arbeitsgruppen nicht beliebig viele
Wünsche auflisten. Man muss realistisch bleiben und sich an dem
finanziellen Rahmen orientieren, den die mittelfristige Finanzplanung
vorgibt. Und jede Arbeitsgruppe hat dafür zu sorgen, dass zwei Ziele
eingehalten werden: keine neuen Schulden und keine Steuererhöhungen.
Darüber hinaus muss immer bedacht werden, dass Wachstum und
Beschäftigung nicht gefährdet werden dürfen.
Frage: In der Rentenpolitik verlangt die Union Verbesserungen bei
der Mütterrente. Die SPD fordert nach 45 Versicherungsjahren eine
abschlagsfreie Rente ab 63. Was die Union „Lebensleistungsrente“
nennt, heißt bei der SPD „Solidarrente“. Welche Prioritäten setzen
Sie? Kauder: Als Erstes muss klar sein, dass es in dieser
Legislaturperiode keine Erhöhung der Rentenbeiträge geben darf. Es
gilt, Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die Verbesserung
bei der Mütterrente – für Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren
wurden – ist aber eine Frage der Gerechtigkeit. Alles andere ist
wünschenswert – mehr aber auch nicht.
Frage: Soll es aus dem Bundeshaushalt finanziert werden oder aus
den Mitteln der Rentenversicherung? Kauder: Die Mütterrente wird
schon immer durch einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt finanziert.
Wir wissen aber, dass der Bundeszuschuss nicht voll gebraucht wird.
Es sind also erhebliche Mittel für die Verbesserung der Mütterrente
frei, ohne dass der Haushalt zusätzlich belastet wird. Nach unseren
Berechnungen wird daneben nur ein geringer Teil der Kosten aus der
Rentenkasse finanziert werden müssen.
Frage: Der Abbau der kalten Progression zählte im Wahlkampf zu den
Versprechen der Union. Muss das gegenfinanziert werden? Kauder: Es
gilt der Grundsatz: keine neuen Schulden. Auch die kalte Progression
kann nur im Rahmen der vorhandenen Spielräume abgebaut werden.
Frage: Die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag wird auch
gewünscht. Kauder: Das wäre zwar wünschenswert und nach meiner
Auffassung auch richtig. Aber noch einmal: Alles muss ohne neue
Schulden finanziert werden, auch weil wir in Europa auf unsere
Glaubwürdigkeit achten müssen. Und noch einmal: Auch Steuererhöhungen
darf es nicht geben, weil dies letztlich der Wirtschaft und den
Arbeitnehmern schaden würde. Das ist für uns ein unverrückbarer
Punkt.
Frage: Wann fallen die Entscheidungen über die vielen Wünsche?
Kauder: Alle Fragen, die mit Finanzen zu tun haben, werden am Schluss
der Koalitionsverhandlungen beantwortet. Das werden schwierige
Schlussrunden. Und da muss auch deutlich werden, dass die Wählerinnen
und Wähler Angela Merkel und ihre Politik bestätigt und keinen
Politikwechsel gewählt haben.
Frage: Ihre Gesundheitspolitiker plädieren für eine Erhöhung der
Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,5 Punkte. Was sagen Sie? Kauder:
Die Union hat in ihrem Wahlprogramm eine geringe Erhöhung der
Beiträge zur Pflegeversicherung vorgesehen. Wir müssen für die Pflege
angesichts der Alterung der Bevölkerung mehr aufwenden. Das gehört zu
einer menschlichen Gesellschaft.
Frage: Es gibt den Vorschlag, bei der Deutschen Bundesbank zur
künftigen Finanzierung der Pflege eine Kapitalrücklage aufzubauen.
Ihre Meinung? Kauder: Kapitalrücklagen zu bilden ist bei den
derzeitigen Zinssätzen nicht attraktiv. Deswegen halte ich von
solchen Vorschlägen wenig.
Frage: Zur Energiepolitik: Soll der Staat bei der Förderung
erneuerbarer Energien in bestehende Verträge eingreifen dürfen?
Kauder: Klares Nein. Der Vertrauensschutz gilt. Aber die
Energiekosten dürfen auch nicht weiter steigen.
Frage: Sollen den großen Kraftwerksbetreibern Zuschüsse gewährt
werden, um die Versorgungssicherheit sicherzustellen? Kauder: Die
Bundesnetzagentur kann schon heute veranlassen, dass Kraftwerke, die
für Versorgungssicherheit notwendig sind, in Betrieb bleiben. Dafür
erhalten die Betreiber eine Entschädigung. Insgesamt dürfen diese
Kosten, die wiederum die Verbraucher tragen müssen, nicht noch weiter
steigen.
Frage: Und die Pkw-Maut kommt doch.
Kauder: Darüber wird noch zu beraten sein. Die Lösung muss
europarechtlich möglich sein, und sie darf nicht zu noch mehr
Bürokratie führen.
Frage: Die CSU verlangt die Maut. Was sagen Sie? Kauder: Die CSU
ist dafür. Für mich zählt nach wie vor: Es darf keine zusätzliche
Belastung der deutschen Autofahrer geben, und die Maut muss insgesamt
noch vernünftig sein.
Frage: Es gibt den Vorschlag der CSU, mit der Einführung einer
Maut die Kfz-Steuer zu senken. Kauder: Besitzer von Kleinwagen hätten
vielfach nichts davon. Sie würden durch die Maut zusätzlich belastet.
Dann müsste es wiederum für diese Gruppe eine Kompensation geben.
Frage: Besteht die CDU auf dem Finanzministerium, weil es in
dieselbe Hand gehört wie das Bundeskanzleramt? Kauder: Ob das eine
ausreichende Begründung ist, weiß ich nicht. Aber eine ausreichende
Begründung ist es, dass ich weit und breit keinen besseren
Finanzminister als Wolfgang Schäuble sehe.
Frage: Peer Steinbrück? Kauder: Der will ja gar nicht mehr.
Frage: Muss die Energiepolitik in einem Ressort gebündelt werden?
Kauder: Ich glaube, dass es sinnvoll wäre.
Frage: Im Wirtschaftsministerium? Kauder: Da will ich mich nicht
festlegen.
Frage: Ein eigenes Energieministerium? Kauder: Die Energiepolitik
kann auch in einem bestehenden Ministerium gebündelt werden.
Frage: Haben Sie das mit der Kanzlerin abgesprochen? Kauder: Nein.
Frage: Hat sich die Pärchenbildung bewährt, beispielsweise das
Innen- und das Justizministerium auf die beiden Koalitionspartner zu
verteilen? Kauder: Grundsätzlich ja.
Frage: Die SPD wird auf dem Arbeitsministerium bestehen. Was wird
aus Ursula von der Leyen? Kauder: Weil ich das andere nicht weiß,
kann ich das eine nicht beurteilen.
Frage: Bleiben Sie Fraktionsvorsitzender? Kauder: Ja. Ich bin ja
schon gewählt.
Frage: Zum Schluss noch Ihr Tipp: Wann steht die Regierung aus
CDU, CSU und SPD? Kauder: In der letzten Woche vor Weihnachten.
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