Keine Lobby fuer die Menschenrechte

inem Jahr schwarz-gelber Regierung erklaert der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Christoph Straesser:

Die menschenrechtspolitische Bilanz der schwarz-gelben Koalition ist ernuechternd. Schon der Koalitionsvertrag verhiess nichts Gutes, die Praxis aber hat die Befuerchtungen bei weitem uebertroffen.

Wie wenig der Koalition die Menschenrechte wert sind, zeigt sich in diesen Tagen bei der Verabschiedung des Haushalts fuer 2011.

Menschenrechtsrelevante Titel wurden um bis zu 50 Prozent gekuerzt. Betroffen sind Massnahmen zur Foerderung der Menschenrechte, die Arbeit der UN-Hochkommissarin fuer Menschenrechte, internationale Organisationen wie das IKRK, UNHCR, UNICEF und UNWRA, Massnahmen zur Krisenpraevention und humanitaeres Minenraeumen. Der von der Koalition in vielen Sonntagsreden bemuehten „wertegeleiteten Aussenpolitik“ steht ihr praktisches Regierungshandeln im Menschenrechtsbereich diametral entgegen. Die Menschenrechtspolitik dieser Koalition ist nicht an Werten orientiert, und sie ist ihr auch nichts wert.

Aehnlich widerspruechlich sieht es in der Fluechtlingspolitik aus. Die zunaechst auf der Haben-Seite verbuchte Ruecknahme der Vorbehaltserklaerung zur UN-Kinderrechtskonvention hat sich laengst als Luftnummer entpuppt. Trotz der Aufforderung durch die Bundesjustizministerin weigern sich die Bundeslaender, das Aufenthalts- und Asylverfahrensrecht der neuen Lage anzupassen und der Bundesinnenminister bestaerkt sie in dieser restriktiven Politik gegenueber Fluechtlingskindern. Damit ist die Ruecknahme der Vorbehaltserklaerung reine Symbolpolitik.

Abweisend verhaelt sich die Koalition auch in der europaeischen Fluechtlingspolitik. Waehrend Deutschland in diesen Tagen gnaedigerweise 100 in Malta gestrandete Fluechtlinge aufnimmt, sind die Laender an den EU-Aussengrenzen mit Tausenden von Fluechtlingen konfrontiert. Die Koalition aber wehrt sich gegen jeden Versuch, in der Europaeischen Union ein solidarisches System der Lastenverteilung aufzubauen und setzt statt dessen auf verstaerkten Grenzschutz und eine menschenrechtlich aeusserst fragwuerdige Kooperation der EU mit Laendern wie Libyen. Tausende von Fluechtlingen und Migranten, deren Ziel Europa war, leben dort in ueberfuellten Lagern. Libyen hat die Genfer Fluechtlingskonvention nicht unterzeichnet.

Nach eigenen Aussagen hat sich die Koalition vor allem die Themen Todesstrafe, Folter und Religionsfreiheit als Schwerpunkte ihrer Menschenrechtspolitik gesetzt. Auch hier ist die Bilanz duerftig. Die Koalition war unfaehig, einen interfraktionellen Antrag zur Todesstrafe auf den Weg zu bringen, wie dies geplant und noch in jeder Legislaturperiode moeglich war. Mangels eigenen Antrags hat sie sich dann fuer die am wenigsten originelle Loesung entschieden und den umfassenden rot-gruenen Antrag in Auszuegen abgeschrieben. Zur Bekaempfung der Folter hat sie keinerlei Initiative entwickelt. Und ihr Einsatz fuer Religionsfreiheit bedeutet fuer sie in erster Linie die Sorge um bedrohte Christen. Zugleich dient dieses Thema der eigenen politischen Selbstvergewisserung angesichts wachsender interner Kritik am verschwimmenden konservativen Profil.

Obwohl sich die Menschenrechtspolitik der Koalition nur auf die Welt jenseits von Europa bezieht, ist ihre Unterstuetzung fuer gefaehrdete Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger in aussereuropaeischen Regionen gering. Weder setzt sich die Koalition fuer den voruebergehenden Schutz dieser Menschen in Deutschland ein noch unterstuetzte sie die spanische EU-Ratspraesidentschaft bei ihrer Initiative, in der EU und ihren Auslandsmissionen die Strukturen fuer den Schutz von Menschenrechtsverteidigern zu staerken. Ohne das Engagement dieser mutigen Menschen stuende es jedoch schlecht um die Menschenrechte auf der Welt. Das muesste eigentlich auch die Koalition wissen.

Ein Jahr Menschenrechtspolitik der schwarz-gelben Koalition bedeutet Einsatz fuer die Menschenrechte auf niedrigstem Niveau.

Wenn sich die Koalition mit ihren vier inhaltsarmen menschenrechtlichen Antraegen in einer Pressemitteilung selbst feiert, ist dies ein weiterer Beleg fuer ihren politischen Realitaetsverlust.

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