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Korrektur: taz-Kommentar von Wolfgang Gast zur Stasi-Vergangenheit
des Berliner Baustadtrates Andrej Holm
Ob sich Andrej Holm als Staatssekretär im Amt des Berliner
Bausenats halten kann, ist mehr als ungewiss. Eine Kaderakte kursiert
im Netz, ebenso eine vierseitige handgeschriebene Erklärung, in der
sich der 18-jährige Offiziersanwärter Holm zehn Wochen vor dem Fall
der Mauer verpflichtet, „im Ministerium für Staatssicherheit Dienst
im militärischen Beruf zu leisten“. In der Politik und im
öffentlichen Dienst sind andere schon über weit harmlosere Aktenfunde
gestolpert.
Fatalerweise wird aber nicht die tatsächliche MfS-Zuarbeit zur
Bewertung einer möglichen Stasibelastung Holms herangezogen. Auch
nicht, dass er schon vor Jahren die Mitarbeit beim MfS öffentlich
eingeräumt und kritisch hinterfragt hat. Entscheidend ist allein die
Frage: Hat Holm bei seiner Anstellung an der Berliner
Humboldt-Universität seine MfS-Tätigkeit zu Recht oder Unrecht
verschwiegen?
Geht es nach der gängigen Rechtsprechung, dann zu Unrecht. Denn
danach stellen falsche Angaben bei der Einstellung oder Überprüfung
eines Arbeitsverhältnisses eine Verletzung des
Vertrauensverhältnisses zum Arbeitgeber dar, sie sind damit ein
Kündigungsgrund. Aber es gilt auch: Hätte Andrej Holm im
Personalbogen der Uni das Kästchen zur Frage „hauptamtliche
Mitgliedschaft beim MfS“ positiv angekreuzt – er hätte die Stelle
erst gar nicht erhalten.
Mit Gerechtigkeit oder Geschichtsaufarbeitung hat das alles nichts
zu tun. Es mag noch so abgedroschen klingen: Holms MfS-Tätigkeit hat
niemandem geschadet. Selbst wenn er gewollt hätte – mit Wende und
Entlassung am 31. Januar 1990 hätte er dazu gar keine Gelegenheit
gehabt. Unmittelbar nach der Wende hatten Bürgerrechtler und
Stasiauflöser gefordert, jede Stasimitarbeit immer im Einzelfall zu
prüfen, und Belastendes, aber auch Entlastendes zu berücksichtigen.
Die Bürokratie machte daraus eine Standardregelung, in der ein
falsches Kreuzchen in der Personalakte über die weitere Karriere
entscheidet.
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