Beispiel Zinsschranke: Ausgedacht hatten sie sich die Finanzpolitiker, um zu verhindern, dass internationale Konzerne durch Gesellschafterdarlehen an ihre deutschen Unternehmen Gewinne ins Ausland verlagern. Getroffen hat sie, wie von den Wirtschaftsverbänden befürchtet, vor allem größere, nicht börsennotierte mittelständische Unternehmen. Für die Wirtschaftsjahre, die nach dem 25. Mai 2007 beginnen und bis zum 31. Dezember 2009 enden, soll daher die Freigrenze für die Zinsschranke jetzt von einer auf drei Millionen Euro angehoben werden. „Obwohl damit gut die Hälfte der betroffenen Unternehmen zeitweise entlastet wird, ist das keine Lösung“, sagt Professor Lüdemann. „Denn der Rest (und die ab 2011 wieder unter die Zinsschranke fallenden Unternehmen) müssen weiter mit der Ungerechtigkeit leben, Steuern auf Aufwendungen zu zahlen – selbst dann, wenn sie nur wenig oder keine Gewinne oder sogar Verluste machen. Der Staat entzieht ihnen damit Liquidität und potenzielles Eigenkapital.“ Ganz abgesehen von den komplizierten Regelungen im Detail, die auch bei denen, die der Zinsschranke entgehen, „erst einmal bürokratischen Mehraufwand und besonderen Beratungsbedarf erfordern und zudem Streit mit dem Finanzamt, insbesondere bei Betriebsprüfungen, mit unkalkulierbarem Ausgang provozieren.“ Lüdemann fordert daher, die Zinsschranke in der derzeitigen Form ganz abzuschaffen.
Ebenfalls an die Substanz, besonders in Krisenzeiten, geht die – weiterhin geltende – Hinzurechnung von Zins- und Mietaufwendungen bei der Gewerbesteuer. „Die Lage von krisengefährdeten Unternehmen mit hoher Fremdfinanzierung, die sich ohnehin ratingbedingt verteuert, wird damit weiter verschlimmert“, beklagt Lüdemann. „Über Gebühr belastet werden auch selbständige Einzelhändler in teuren Innenstadtlagen, die zusätzlich zu den Kaltmieten und Nebenkosten quasi eine dritte Miete an den Fiskus zahlen.“
Dagegen haben viele Unternehmen, die jetzt Umsatz- und Ertragsrückgänge verkraften müssen, wenig von der wieder eingeführten degressiven Abschreibung. Denn, so Lüdemann, „sie lohnt sich nur für Firmen, die noch Gewinne machen. Ihnen verschafft sie zusätzliche Liquidität, wenn sie erforderliche Investitionen tätigen.“ Eindeutig positiv bewerten die Ecovis-Experten dagegen die geplante Anhebung der Obergrenze für die Ist-Besteuerung bei der Umsatzsteuer in den alten Bundesländern von 250.000 auf 500.000 Euro Jahresnettoumsatz, wie bisher schon in Ostdeutschland. Ist-Besteuerung heißt, dass die Umsatzsteuer nicht schon bei Rechnungsstellung fällig ist, sondern erst bei Forderungseingang. „Gerade in diesen Zeiten, in denen Zahlungsverzögerungen und -ausfälle zunehmen, bringt das für kleinere Betriebe eine echte Liquiditätsentlastung“, erklärt Ecovis-Vorstand Rüchardt.
Erbschaftsteuerreform macht schlechte Schule
Keine ungetrübte Freude kommt dagegen angesichts der vorgesehenen Sanierungsklausel für die Nutzung von Verlustvorträgen durch Firmenkäufer auf. Damit geht der Verlustvortrag einer erworbenen Kapitalgesellschaft beim Besitzerwechsel nicht mehr verloren, wenn der Investor die Beteiligung zum Zweck der Sanierung erwirbt.
Sprich: Wenn er Maßnahmen ergreift, die eine Insolvenz verhindern oder beseitigen sollen. Das Sanierungsprivileg ist allerdings an Bedingungen geknüpft:
• Entweder stärkt der Erwerber die Gesellschaft, indem er ihr innerhalb von zwölf Monaten durch Einlagen oder Erlass von Verbindlichkeiten „wesentliches Betriebsvermögen“ in Höhe von mindestens 25 Prozent des zuletzt bilanzierten Aktivvermögens zuführt. Gut, wenn er das Geld hat.
• Oder die kumulierte Lohnsumme darf in den fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb 400 Prozent der ursprünglichen Lohnsumme nicht unterschreiten.
„Dies bedeutet aber gerade in Sanierungsfällen für den Investor ein Lotteriespiel“, kritisiert Ferdinand Rüchardt. „Schon wenn die Durchschnittslohnsumme zum Beispiel letztlich nur 70 Prozent erreicht, weil aus Markt- oder Wettbewerbsgründen weniger Mitarbeiter beschäftigt werden oder schlechter bezahlt werden können als ursprünglich geplant, geht der Verlustvortrag doch verloren. Und das, obwohl das Unternehmen und die Mehrzahl der Arbeitsplätze auf diese Weise erhalten bleiben.“
„Das ist“, so Rüchardt, „derselbe Wahnsinn wie bei der erbschaftsteuerlichen Abschmelzungsregelung bei der Übertragung von Betriebsvermögen. Es darf nicht sein, dass Unternehmer deshalb höhere Erbschaftsteuer zahlen müssen, weil sie in der Krise Arbeitsplätze abbauen oder Kurzarbeit einführen müssen und dadurch die Lohnsumme sinkt.“
Ganz abgesehen von den Sanierungskäufen, in denen von vorneherein klar ist, dass sich das Unternehmen nur mit deutlich verkleinerter Mannschaft retten lässt. „So mancher Investor wird dann das Risiko scheuen, wenn er auf den Verlustvortrag verzichten soll. Geholfen ist damit niemand – nicht einmal dem Fiskus, der bei einem weitergeführten Unternehmen Umsatz- und Lohnsteuer kassieren kann.“ Immerhin sollen die Verlustabzugsregelungen der Unternehmenssteuerreform, die auch die Wagniskapitalaufnahme innovativer Gründerfirmen erschweren, ab 2010 grundlegend überarbeitet werden, heißt es aus Berlin. „Dringend nötig wäre es“, meinen Lüdemann und Rüchardt. „Schaun mer mal.“
Bankaufsichtsregelungen schaden dem Mittelstand
Zu schaffen machen den Unternehmen jetzt auch die in den vergangenen Jahren verschärften aufsichtsrechtlichen Normen für Kreditinstitute, die aber paradoxerweise für deren Eigenanlage in hoch riskanten Finanzinstrumenten offensichtlich nicht galten. Dabei geht es nicht nur um die Verteuerung der Finanzierung durch eine – in Krisenzeiten oft unvermeidliche – schlechtere Ratingnote, sondern auch um gefährliche Verzögerungen oder gar ein Nein bei der Kreditgewährung.
Wesentliche Ursache sind die in der Öffentlichkeit weithin unbekannten „Mindestanforderungen an das Risikomanagement“ (MaRisk). Denn sie setzen, so Ecovis-Vorstand Rüchardt „eine verhängnisvolle Kettenreaktion in Gang“: Selbst bei substanziell gesunden Unternehmen mit guten Zukunftsaussichten kann es in der gegenwärtigen Rezession dazu kommen, dass sich Ratingparameter deutlich verschlechtern – zum Beispiel, wenn es durch Forderungsausfälle zu Liquiditätsengpässen und damit zu Überziehungen kommt. Und schon schrillen in der Bank die Alarmglocken: Um sich abzusichern, werden zusätzliche Unterlagen verlangt und entsprechend den Bestimmungen der MaRisk geprüft, ob womöglich ein „Problemkredit“ vorliegt. Wenn dies der Fall sein sollte, dann kommt „ein Bearbeitungsprozess in Gang, der die Bereitschaft zur Kreditgewährung – unabhängig von angebotenen Sicherheiten – gegen Null gehen lässt“, gibt Ferdinand Rüchardt die Erfahrungen aus der Ecovis-Finanzierungs- und Restrukturierungsberatung wieder, die immer stärker nachgefragt wird. „Hier sollte der Gesetzgeber eingreifen, um die Balance zwischen dem Gebot der Risikominimierung und dem volkswirtschaftlichen Auftrag der Kreditversorgung wieder herzustellen“, fordert Rüchardt. Zum Beispiel, indem nach österreichischem Vorbild in das Finanzmarktstabilisierungsgesetz eine Regelung aufgenommen wird, dass Banken, die staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, davon eine Mindestquote für die Kreditversorgung der Wirtschaft nutzen müssen.
Kritisch sieht Rüchardt auch, dass die Bereitschaft, einen Kreditantrag überhaupt ernsthaft zu prüfen, „stark von der Branche abhängig und teilweise völlig losgelöst von der individuellen Situation des Unternehmens ist.“ In Sippenhaft genommen werden zum Beispiel Autohäuser, die dank Abwrackprämie gut verkaufen. Wenn sie derzeit höhere Betriebsmittelkredite brauchen, um entsprechend den Marktnotwendigkeiten die Abwrackprämie vorzufinanzieren, winken die Banken meist ab. Ein weiterer wunder Punkt: Teilweise stehen die verlangten Zinsen nach Ecovis-Beobachtungen in krassem Missverhältnis zu den günstigen Refinanzierungskonditionen und zur Bonität des Unternehmens. „Der Verdacht liegt nahe, dass hier auf Kosten der Kreditnehmer Risikovorsorge und Ausgleich für eingetretene Spekulationsverluste betrieben wird.“