Lausitzer Rundschau: Alle Gewalt geht von Orban aus Ungarn verabschiedet neue Verfassung

Viktor Orban wirft seinen Kritikern im Westen gern
vor, Ungarn klein halten zu wollen. Das ist Unfug. Niemand will den
Magyaren verbieten, sich auf ihre reiche Geschichte, ihre
christlichen Traditionen und ihr kulturelles Erbe zu besinnen. Das
darf durchaus auch in der Verfassung stehen. Das „nationale Credo“
des rechtspopulistischen ungarischen Ministerpräsidenten aber, das er
seinem neuen Grundgesetz voranstellen ließ, geht weit über das Maß
aller patriotischen Sinnstiftung hinaus. Schlimmer noch: Die
Verfassung, die am Montag in Budapest verabschiedet worden ist,
entzieht dem demokratischen Rechtsstaat entscheidende Grundlagen und
ist dazu geeignet, eine autoritäre Herrschaft zu legalisieren. Orbans
Glaubensbekenntnis erklärt die Menschenwürde zum Fundament des
Lebens. Aber ist sie auch unantastbar? In den gleichen Rang erhebt
die Verfassung Nation und Familie, Wohlstand, Sicherheit und vieles
andere mehr. Der Sermon der Präambel verwässert die Werteordnung. Auf
welcher Basis sollen Richter da entscheiden? Dieses Problem freilich
dürfte sich immer seltener stellen, denn Orban entmachtet das
Verfassungsgericht gleich mit. Das Parlament im Übrigen auch. Alle
Gewalt, so könnte der Leitsatz dieses Grundgesetzes lauten, geht
künftig von Orban aus. All das geschieht auf legalem Weg. Eine
Zweidrittelmehrheit ist eine Zweidrittelmehrheit. Deshalb hat Europa
nun ein kaum zu lösendes Problem. Niemand in Brüssel oder Straßburg
kann oder will sich anmaßen, den Ungarn vorzuschreiben, wie sie ihre
Verfassung zu gestalten haben. Und Orban ist auch so klug, den Bogen
nicht zu überspannen und so viel demokratiefeindliches Gedankengut in
das Grundgesetz zu schreiben, dass es einem Staatsstreich gleichkäme.
Es bleibt deshalb nur zu hoffen, dass sich die Ungarn eines nicht
allzu fernen Tages selbst besinnen und dem rechtspopulistischen
Premier das Vertrauen entziehen. Danach sieht es derzeit allerdings
nicht aus. Im Gegenteil: Orbans Popularität im Volk ist ungebrochen.
Er überlegt offenbar sogar, schon für 2012 Neuwahlen anzustreben, um
sich weitere vier Jahre an der Macht zu sichern. Tritt die Verfassung
wie erwartet in Kraft, wird dies ein schwarzer Tag für Europa sein.

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