Lausitzer Rundschau: Angst-Ass Zur deutsch-russischen Erdgastrasse durch die Ostsee

Die Ostseepipeline wächst. Ab sofort strömt das
Gas durch zwei Röhrenstränge. Schon ist vom Bau einer dritten
Verbindung die Rede. Das deutsch-russische Energiegeschäft brummt
also. Für die beteiligten Unternehmen um den Moskauer Mehrheitseigner
Gasprom ist das eine gute Nachricht. Auch Altkanzler Gerhard Schröder
und der russische Präsident Wladimir Putin frohlocken. Sie
flankierten den Bau einst politisch. Doch wo Gewinner sind, sind
meist auch Verlierer. Dazu zählen vor allem die osteuropäischen
EU-Mitglieder, die von der Pipeline umgangen werden. Beispiel
Litauen: Anfang 2010 legte der kleine baltische Staat auf Druck der
EU sein Risiko-AKW Ignalina still. Seither ist Litauen zunehmend vom
Import russischen Erdgases abhängig. Durch den Bau der
Ostseepipeline hat sich zugleich die Gefahr erhöht, dass Moskau
seinen ungeliebten Nachbarn den Gashahn zudrehen könnte. Die
zahlungskräftigen Deutschen würden in diesem Fall durch die
Meeresröhre weiter beliefert. Wie realistisch dieses Szenario ist,
sei dahingestellt. Tatsache ist: Die Litauer stimmen am Sonntag in
einem Referendum über den Bau eines neuen AKW ab. Schon spielen die
Kernkraftbefürworter die russische Karte. In der so lange
unterdrückten ehemaligen Sowjetrepublik könnte das Angst-Ass durchaus
stechen. Folge: Die Deutschen, die so vehement den Ausstieg aus der
Atomkraft fordern, bekommen in ihrer Nachbarschaft ein neues AKW –
übrigens japanischer Bauart. Andere denken ähnlich. Auch Polen plant
ein eigenes AKW. Warschau fördert zudem die umstrittene
Schiefergas-Ausbeutung, die Deutschland aus ökologischen Gründen
hinterfragt. Aber warum sollten die Polen mit der Pipeline vor Augen
darauf Rücksicht nehmen? Eines ist gewiss: Die Schröder-Putin-Röhre
hat der europäischen Energiesolidarität einen Bärendienst erwiesen.

Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de

Weitere Informationen unter:
http://