Lausitzer Rundschau: Barack Obama will es wissen Die Rede zur Lage der Nation des US-Präsidenten

Die USA erleben seit der Wahl im November einen
anderen Barack Obama. Sie erleben wie am Dienstag bei seiner Rede zur
Lage der Nation einen Präsidenten, der nicht länger zögert und
zaudert, der vielmehr kämpfen will. So ziemlich alles, was auf
seiner Wunschliste steht – schärfere Waffengesetze, höherer
Mindestlohn, Konjunkturprogramme, höhere Steuern für Reiche, maßvolle
Reform der Sozialsysteme – ist ein rotes Tuch für seine politischen
Gegner. Aber Obama weiß in den allermeisten dieser Fragen eine solide
Mehrheit des Landes hinter sich. Die will er mobilisieren und damit
den Widerstand in dem nach wie vor von den oppositionellen
Republikanern beherrschten Repräsentantenhaus überwinden. Und er hat
dabei auch schon den nächsten Wahltermin in knapp zwei Jahren im
Auge. Da wird es um genau diese republikanische Mehrheit an
Abgeordneten gehen. Mit seinem Programm ist der Präsident nahe an den
Grundzügen europäischer Politik. Seine Vorstellungen von der Rolle
des Staates unterscheiden sich nur wenig von beispielsweise denen der
Angela Merkel. Und es ist insofern auch kein Zufall, dass er
Deutschland ausdrücklich als Vorbild in der Bildungspolitik erwähnte.
Die angekündigte Aufnahme von Verhandlungen zur Reform der
Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU krönt deswegen auch zu
Recht diese Agenda der transatlantischen Annäherung. Barack Obama,
der zunächst gescheiterte Hoffnungsträger, hat jetzt den Kampf um die
Seele des Landes aufgenommen. Er will mehr sein als nur der erste
afro-amerikanische Präsident im Weißen Haus. Er will eine
Präsidentschaft, die an die fast schon vergessenen Traditionen seiner
Demokraten anknüpft. Damals, in den sechziger Jahren des vergangenen
Jahrhunderts, hat die demokratische Partei im Kampf um Bürgerrechte
und Sozialprogramme das Land tiefgreifend verändert. Deswegen auch
hat er sich als dramatisches, gefühlsbetontes Finale seiner Rede vor
dem Kongress die Auseinandersetzung um das Waffenrecht ausgesucht. In
dem Streit um das Recht auf das eigene Sturmgewehr stecken all die
Elemente, die die Auseinandersetzung um den zukünftigen Kurs des
Landes bestimmen. Sind die Amerikaner in erster Linie Teil einer
Gemeinschaft, also, wie Obama sagt, Bürger oder verstehen sie sich
als Einzelkämpfer gegen einen Staat, dem enge Grenzen gesetzt werden
müssen? Obama weiß, dass er beim Waffenrecht wenig Chancen hat, im
Kongress durchgreifende Veränderungen zu erreichen. Er kalkuliert
also zunächst eine Niederlage ein. Dies aber ist dann nicht nur die
seine. Denn eine wachsende Zahl von Amerikanern hat die mit
Freiheits-Ideologie überladenen Anfeindungen gegen jede Form
staatlichen Handelns satt und steht auf seiner Seite.

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