Na bitte, geht doch! Angela Merkel ist wie
verwandelt aus der Sommerpause zurückgekommen und hat die schwierigen
Themen auf die Tagesordnung gesetzt. Entschlossen, sie zu einer
Entscheidung zu bringen. Aber nicht nur sie. Horst Seehofer war
offenbar zur Beichte und hat sich Besserung gelobt. „Du sollst nicht
begehren deines Nächsten Haus.“ Die Richtlinienkompetenz im Bund ist
nämlich Sache der Bundeskanzlerin. Guido Westerwelle sitzt die nackte
Existenzangst im Nacken; es hilft, wenn er schweigt. Und so purzeln
plötzlich die Beschlüsse, ganz ohne basta: Energiekonzept samt
Laufzeitverlängerung, Wehrpflicht, Hartz-IV-Nichterhöhung,
Gesundheits-Nichtreform und Sparhaushalt. Es fehlt nur noch die
Rücknahme des Hoteliers-Geschenks beziehungsweise eine generelle
Neuordnung der Mehrwertsteuer. Sicher, inhaltlich wird, ja muss die
beschlossene Politik Widerstand erzeugen. Sie ist bei der
Energiepolitik kurzsichtig und im Sozialbereich und bei den
Etatkürzungen klar ungerecht. Aber politisch gesehen wird der Ertrag
dieses Widerstandes weitgehend im linken Lager bleiben. SPD, Grüne
und Linke haben nun viel mehr Argumente und Motive, um ihre Leute zu
mobilisieren. Betonung auf „ihre“. Die Anhänger der Koalition
hingegen, die sich von ihrer so stümperhaft agierenden Regierung
teilweise schon enttäuscht wieder abwenden wollten, sehen sich nun
versöhnt. Die Zahl der FDP-Wähler, die ihre Stimme wieder haben
wollen, dürfte jedenfalls wieder deutlich kleiner werden. Und dann
ist da noch etwas, was im politischen Tageskleinklein allzu gern
übersehen wird: die ökonomische Großwetterlage. Deutschland als
Wirtschaftswachstumsland Nummer eins in Europa, sinkende
Arbeitslosigkeit und wieder steigende Löhne – es gibt noch eine
schweigende Mehrheit, die nicht Hartz IV bezieht und sich zunehmend
wieder wohl fühlt im Leben. Das ist zwar objektiv nicht Merkels
Aufschwung, gefühlt aber wohl. Die SPD täte gut daran, sich bei aller
Kritik an der Sozialpolitik der Regierung wieder stärker dieser
Wählerschaft zu widmen. Peer Steinbrück hat das seiner Partei erst am
Sonntag ins Stammbuch geschrieben. Denn die Strategie Sigmar
Gabriels, voll auf die Krise von Schwarz-Gelb zu setzen, eventuell
sogar auf ein frühes Zerbrechen der Koalition, die scheitert gerade
in diesem Herbst der Entscheidungen. Und so könnte sich auch seine
Erwartung, die Regierung werde bei den Landtagswahlen im Frühjahr
mächtig Federn lassen, leicht als eine auf sehr wackeligen Beinen
stehende Hoffnung entpuppen.
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