Lausitzer Rundschau: Die DDR-Erfahrung Merkels und dieÄgypten-Strategie: Die Botschaft, die fehlt

Es mag ansonsten ja von Nutzen sein, wenn sich
unsere Bundeskanzlerin auf ihre Erfahrungen aus der Zeit der
friedlichen Revolution in der DDR bezieht. Dass sie jetzt allerdings
im Blick auf Ägypten mit Ratschlägen für einen geordneten und
allmählichen Übergang aufwartet, ist wenig hilfreich. Denn nicht nur
am Nil, sondern in der gesamten arabischen Welt geht es derzeit
weniger darum, wie sich europäische und nordamerikanische Politiker
den Übergang zu erneut halbwegs stabilen Verhältnissen vorstellen.
Wichtig ist vielmehr, mit welchen Botschaften unser demokratisch
gewähltes Führungspersonal an Glaubwürdigkeit gewinnt. Jahrzehntelang
haben die Menschen in Tunesien und Ägypten miterlebt, wie ihren
Despoten der rote Teppich ausgerollt wurde. Sie haben dabei den
Eindruck gewinnen müssen, dass die zentralen Werte des Westens als
Luxusgut gehandelt wurden, das nicht jedem zusteht. Im besten Falle
gab es zuweilen äußerst widersprüchliche Signale zum
Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser. Aber mehr war selten. Das
himmelschreiende Unrecht, dem sich die Menschen in Ägypten, in
Saudi-Arabien oder Syrien ausgesetzt sehen, war bestenfalls eine
Randbemerkung wert. Und wenn jetzt jede Stellungnahme von dem Hinweis
auf die Bedrohung der Stabilität geprägt ist, wird der Eindruck nur
weiter verstärkt, dem Westen gehe es vor allem um Sicherheit, selbst
wenn der Preis dafür Friedhofsruhe ist. Wer nicht nur mit den
Machthabern, sondern mit den Beherrschten der arabischen Welt redet,
wird schnell feststellen, dass die wenig halten von solchen
Ratschlägen aus den Regierungszentralen des Westens. Die Menschen
fühlen sich seit Langem verraten und verkauft, belogen und getäuscht.
Deswegen kommt es jetzt vor allem darauf an, sich verständlich zu
machen. Dafür bedarf es zunächst des Nachdenkens über den Umgang mit
Despoten. Die EU muss beispielsweise sehr deutlich machen, dass sie
im Falle der gestürzten tunesischen Machthaber alles unternimmt, um
die Milliardenbeträge sicherzustellen, die dem Volk gehören, aber auf
Privatkonten gebunkert wurden. Sie muss ihre durchaus bewährten
Instrumente der Ächtung von Gewaltherrschern wie Reisesperren und
Kontaktverbot konsequent anwenden und weiter ausdehnen. Und sie muss
mit solch einer Politik, die die eigenen Werte erkennen lässt, auch
offensiv nach außen treten. Allzu oft wird die Menschenrechtsfrage
als lästiger Reisebegleiter empfunden. Insofern wäre es gut, wenn
Angela Merkel weiter in ihren Erinnerungen wühlt – aber dabei die
Zeit vor 1989 nicht auslässt – als auch sie ohnmächtig zusehen
musste, wie den SED-Gewaltigen weltweit hofiert wurde.

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