Es ist in den vergangenen Tagen oft darüber
geschrieben worden, dass in Ägypten ein Militärputsch stattfindet,
über den sich ein Volk nicht nur freut, sondern den es geradezu
herbeigesehnt hat. Tatsächlich aber ist die Machtübernahme der
Generäle nichts anderes als ein zerbrechlicher Kompromiss für
begrenzte Zeit. Denn wirklich geputscht haben sie nicht, die
Befehlshaber der Streitkräfte. Und so haben sie auch keinerlei
Vorstellungen entwickelt für die Rolle, die ihnen da plötzlich
zufiel. Die derzeitige Situation am Nil ist vielmehr Ausdruck einer
großen Ungewissheit, die vor allem von überraschenden Entwicklungen
geprägt wurde. Die Protestbewegung hatte ein Drehbuch dafür, die
herrschende Macht herauszufordern. Dass sie so schnell und so
umfassend Erfolg haben würde, war darin nicht vorgesehen. Die zwar
gut organisierte, aber doch relativ kleine Gruppe an jungen
Aktivisten, die mit ihren bescheidenen Mitteln den Massenaufstand
provozierten, haben zwar allerlei Ideen für eine demokratische
Zukunft des Landes, aber ein Konzept für den Weg dorthin ist noch
nicht gefunden und werden sie auch nicht einfach auf den Tisch
zaubern können. Bislang konnten sie von den Erfahrungen anderer wie
dem Scheitern der iranischen Opposition profitieren und Fehler
vermeiden. Jetzt stehen sie zusammen mit den Freunden in Tunesien vor
Neuland. Deswegen liegt das Gesetz des Handelns derzeit zunächst bei
der Armeeführung. Die muss sich entscheiden zwischen dem teilweisen
Verlust ihrer Privilegien einerseits und der Achtung, die sie bislang
in der Bevölkerung genießt. Sie hat die Machtmittel, um sich dem
Übergang zur Demokratie in den Weg zu stellen. Der Preis dafür wäre
allerdings eine Militärdiktatur, die ihrerseits keine Antwort finden
wird auf die sozialen und politischen Probleme des Landes. Derzeit
spricht einiges für die Hoffnung, dass die Generäle in Kairo die
Grenzen ihrer Möglichkeiten erkannt haben.
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