Lausitzer Rundschau: Ein Kopf der Hydra Zur Tötung von Osama Bin Laden

Darf man Freude empfinden beim gewaltsamen Tod
eines Menschen, auch wenn er Osama Bin Laden heißt? Im Prinzip nicht,
aber dieser Mensch hat erheblich dazu beigetragen, dass es dieses
Gefühl tiefer Genugtuung gibt, selbst bei jenen, die sich dafür sonst
schämen würden. Bin Laden hat vielen unschuldigen Menschen das Leben
geraubt, nicht als Kollateralschaden, sondern als eigentliches Ziel.
Das ist die besondere Qualität des von ihm angeführten islamistischen
Terrorismus. Ob in Büros in New York, in öffentlichen Verkehrsmitteln
Londons und Madrids oder in den Urlaubsgebieten von Bali, Djerba und
Marrakesch, er wollte die Menschen in ihrem Alltag treffen. Alt und
Jung, Frau und Mann, Christ und Nichtchrist. Nicht zu vergessen all
die Orte in der arabischen Welt, deren Führer er noch mehr hasste,
als die des Westens. Osama Bin Laden hat den Tod geliebt und
bekommen. Die USA, die so viele Menschen verloren haben, waren zu
dieser Tötung berechtigt. Es war ein Akt der Rache, aber auch der
Notwehr, denn von Bin Laden ging eine anhaltende Bedrohung aus.
Nichts an dem nächtlichen Einsatz der Elitetruppen in Pakistan ist
daher zu beanstanden. Nichts eignet sich auch für Märtyrerlegenden.
Jene, die vielleicht einen Hauch von Verständnis oder gar Sympathie
für den Terroristenführer und seine Motive hegen, mögen einmal zu
Ende denken, was für ein Leben es wäre, wenn er irgendwo die Oberhand
gewonnen hätte. Es wäre die totale Abschottung vom Fortschritt, eine
auf Krieg und Unterdrückung basierende Gesellschaft und eine auf Raub
und Drogenhandel basierende Ökonomie. Die Taliban in Afghanistan
haben es vorgelebt. Den vielen nur am Koran und an der Waffe
ausgebildeten jungen Männern bietet diese Ideologie nur die
Perspektive, als Gotteskrieger bald ins Paradies zu den dort
erhofften Jungfrauen zu kommen. Den wenigen Scheichs wie Osama Bin
Laden aber gibt sie die Aussicht auf ein höchst irdisches Paradies,
mit Geld, Macht und einer Reihe realer Frauen, die wie Sklaven
gehalten werden. Die Jugendlichen in Tunis, Bengasi, Kairo, Sanaa und
Daraa befreien sich gerade von ihren Diktatoren. Sie wollen so nicht
leben, sondern Freiheit, Bildung, Arbeit und Wohlstand. Der Westen
kann noch lange nicht aufatmen. Die Aufmerksamkeit darf nicht
nachlassen, denn die Hydra hat viele Köpfe, Der Hass, den Bin Laden
gesät hat, wächst weiter, auch in europäischen Vorstädten. Um die
Schlange des radikalen Islamismus aus der Welt zu vertreiben, bedarf
es mehr als eines Schusses in den Kopf eines alternden Mannes. Der
Körper dieser Schlange besteht aus Armut und Rückständigkeit in den
Ländern Nordafrikas und des Orients. Wenn der Westen bei Trost ist,
wird er allen, die dort demonstrieren und neue Gesellschaften
aufbauen wollen, nun noch entschlossener helfen, als bisher. Und zwar
nicht nur mit Waffen.

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