Lausitzer Rundschau: Ein Schlag für die Freiheit Zum Verbot des Neonazi-Netzwerkes

Das Verbot des Neonazi-Netzwerkes und die Razzien
in mehreren Städten sind ein deutliches Signal: Die freiheitliche
Demokratie lässt viel zu, aber ihre Ordnung ist unangreifbar. Der
Staat hat zugepackt und aufgeräumt – die Kartons, die aus den
durchsuchten Räumen gebracht wurden, stellen es sinnbildlich dar.
Rechtsextremisten mögen den Ordnungsbegriff, allerdings in einer
völlig anderen Verwendung. Der Ordnungsbegriff im Sinne der Neonazis
lässt sich mit einem anderen Wort recht gut erläutern: „Durchkämmen“
ist ein Lieblingswort im Neonazi-Jargon. Dahinter verbirgt sich die
Assoziation eines sauberen, durchgekämmten Scheitels. Vielleicht so,
wie wir es von Bildern der Hitlerjugend kennen. Durchgekämmt, das
heißt, ein Haar ohne Läuse. Ohne Parasiten. Parasiten, das sind die
anderen, die in das eindimensionale Denkschema des Rechtsextremisten
nicht passen. Auf der Liste stehen unter anderem Ausländer,
Intellektuelle, Künstler, Freiheitsliebende, Obdachlose,
linksorientierte Politiker. Ein Haar exakt neben dem anderen: Hinter
„durchkämmen“ steckt auch die Sehnsucht nach einem total geordneten
Leben, das das eigenverantwortliche Denken und Handeln weitgehend
überflüssig macht. Gehorsam ersetzt in diesem System die individuelle
Denkleistung. Insofern hat „durchkämmen“ auch mit „Ruhe und Ordnung“
zu tun – allerdings nicht mit seelischer Ruhe, sondern mit
Massengräber-Ruhe. Dies im Blick, war die Polizeiaktion am gestrigen
Dienstag eine Aktion, die zunächst einmal die freiheitliche Ordnung
gestärkt hat. Triumphgesänge der Demokraten sind dennoch fehl am
Platz. Zu ernst ist das Problem. Plakate und Computer lassen sich
beschlagnahmen, Menschen vor Gericht stellen. Allein das
rechtsextreme Gedankengut lässt sich nicht mit einem
Gerichtsbeschluss verbieten. Gedanken lassen sich nur mit Gedanken
bekämpfen. Das muss früh anfangen, im Elternhaus, in der Schule.
Gelehrt werden müssen nicht nur Grammatik und Algebra, sondern auch
die Fähigkeit zu sehen. Die freie Sicht auf eine Welt, die vielfältig
ist, kann man nämlich lernen – sie verlangt allerdings ein offenes
Herz und Einfühlungsvermögen. Bildung ist nicht umsonst, kostet
Kraft, einen starken Willen und vor allem Geld. Es ist eine
Investition, die sich lohnt. Denn wer die unfassbare Vielfalt dieser
Welt erkennt, lebt intensiver und entwickelt jene Kraft, die unsere
mitunter verkrustet erscheinende Gesellschaft braucht, um sich
insgesamt weiterzuentwickeln.

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