Das groß angelegte Zeremoniell in Washington und
die vielen freundlichen Worte können nicht darüber hinwegtäuschen,
dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen seit einiger Zeit fast
schon bedeutungslos geworden sind. Diese Bedeutungslosigkeit ist
nicht etwa ein Phänomen, das sich auf das Verhältnis zur Weltmacht
USA beschränkt. Faktisch gibt es derzeit keine deutsche Außenpolitik
mehr und die Stimmenthaltung im Sicherheitsrat der UN bei der
Libyen-Resolution steht exemplarisch für die Enthaltsamkeit der
schwarz-gelben Bundesregierung. Aktivitäten werden dann entfaltet,
wenn es in Europa um wesentliche wirtschaftliche Interessen
Deutschlands geht – also beispielsweise bei der Eurokrise. Es gibt
faktisch auch keinen Außenminister mehr. Guido Westerwelle darf
gelegentlich noch ein paar mahnende Worte in Sachen Menschenrechte
zum Besten geben oder nach Neuseeland reisen – es kümmert keinen, was
der Mann macht. Die Bundesrepublik, wirtschaftlich mehr denn je die
Führungsmacht in Europa, verzichtet weitestgehend auf eigene Impulse
und eine Strategie ist nicht erkennbar. Innenpolitik ist bei Merkel
alles, Außenpolitik eine eher lästige Pflichtübung. Aber mit solch
einer Haltung werden Chancen verspielt. Denn die Exportnation
Deutschland lebt auch von der politischen Präsenz und von der engen
Abstimmung mit den Bündnispartnern. Die Entwicklung in der arabischen
Welt, in Russland oder China – all das verlangt eine enge
Koordination innerhalb Europas und dann auch mit den USA. Die aber
findet nicht statt. Die Amerikaner haben in ihrer Ratlosigkeit für
die deutsche Kanzlerin erneut eine Art Motivationsprogramm aufgelegt
und Präsident Barack Obama hofiert sie, als wäre die englische
Königin angereist. Nachdem sie als eine der wenigen Ausländer vor dem
Kongress reden durfte, ist diesmal das ganz große Programm des
Staatsempfangs dran. Aber ob der Frau mit Festbanketten oder
Salutschüssen beizukommen ist, darf bezweifelt werden. Es steht zu
befürchten, dass sie nicht wahrnehmen will, was unübersehbar ist.
Dass von Deutschland nicht nur die USA wesentlich mehr erwarten, als
diese Bundesregierung zu leisten bereit ist. Washington ist längst
bereit, Europa nicht mehr in erster Linie als Rivalen, sondern als
Partner zu behandeln. Und die Bundesrepublik ist dafür der
unverzichtbare Bezugspunkt innerhalb der EU.
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