Um es klar zu sagen, die schwarz-gelbe Koalition
hätte den Regelsatz für Hartz-Empfänger auch um zehn oder
20Euro aufstocken können, die Empörung von Sozialverbänden
und Opposition wäre genauso groß wie über die jetzt beschlossene
Mini-Erhöhung. Mit zuvor öffentlich propagierten Sätzen von
400Euro aufwärts hatte man Erwartungen geweckt, die
zwangsläufig in Enttäuschung umschlagen mussten. Höchste Zeit also,
um die hitzige Diskussion endlich wieder vom Kopf auf die Füße zu
stellen. Der eigentliche Skandal, den das Bundesverfassungsgericht
in seinem Grundsatzurteil über ein menschwürdiges Existenzminimum
thematisierte, war nicht die Höhe der Regelsätze, sondern die
politische Willkür, aus der sich jenes Existenzminimum „errechnet“
hatte. Das betraf vor allem die Regelsätze für Kinder. So findet sich
im statistischen Warenkorb für die Jüngsten zwar Alkohol, aber kein
einziger Cent für Schulmaterial. Diesen Unfug hat die rot-grüne
Koalition der Schröder-Ära zu verantworten. Etwas leisere Töne von
SPD und Grünen wären jetzt also durchaus angebracht. Wahr ist
allerdings auch, dass Union und FDP wenig aus dem rot-grünen
Unvermögen gelernt haben. Der Karlsruher Richterspruch war noch
druckfrisch, als Regierungspolitiker in aller Öffentlichkeit bereits
über eine Absenkung der Regelsätze sinnierten. Dabei operieren
Kritiker und Kritisierte gleichermaßen kurzsichtig. Dass die
Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren zweifellos auch durch
prekäre Beschäftigung gesunken ist, kann niemand bestreiten. Vor
diesem Hintergrund müsste sich die ganze Debatte vorrangig darum
drehen, wie arbeitsfähige Hartz-IV-Empfänger besser in Lohn und Brot
gebracht werden können. Stattdessen soll das, was bei den
Hartz-IV-Sätzen oben drauf kommt, im Etat der Arbeitsministerin
gespart werden. Das kann aber nur zulasten der
arbeitsmarktpolitischen Förderung gehen. Auf diese Weise begünstigt
die Regierung eine Daueralimentierung und den damit verbundenen
Dauerstreit über ein paar Euro Stütze mehr oder weniger gleich mit.
Auch die Opposition macht es kaum besser. SPD und Grüne dürften ihre
Vormachtstellung im Bundesrat nutzen, um die Diskussion über die Höhe
des Regelsatzes noch mehr zu befeuern. So erfreulich es für die
Betroffenen sein mag, am Ende doch mehr Geld in der Tasche zu haben,
der Frust über Hartz IV wird nicht kleiner werden. Wirklich geholfen
ist ihnen nur, wenn sie nachhaltig in eine sinnvolle Beschäftigung
kommen. Weder Opposition noch Regierung haben darauf bislang eine
Antwort.
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