Wir Menschen neigen gemeinhin zur Verdrängung.
Umso bestürzter reagieren wir, wenn eine Tragödie unsere Vorstellung
einer eigentlich ganz heilen Welt erschüttert. Diesmal geschah die
Katastrophe in Mainz. Drei Babys sterben in einer renommierten
Fachklinik durch eine Keim-verseuchte Infusion. Offenbar bedarf es
leider solcher Tragödien, um sich – seit Jahren bekannten –
Missständen wieder einmal anzunehmen. Und so gut unser
Gesundheitssystem in internationalen Vergleichen auch sein mag, vor
allem im Bereich der Krankenhaus-Hygiene kann noch sehr viel besser
gemacht werden. Denn die Zahlen sprechen Bände: Schätzungen zufolge
infizieren sich jährlich bis zu einer Million Menschen in deutschen
Kliniken. Bis zu 40 000 sterben pro Jahr an solchen Infektionen, für
die es nicht einmal eine Meldepflicht gibt. Die
Weltgesundheitsorganisation WHO bemängelt in Studien, dass in
Deutschland nur in rund der Hälfte der nötigen Fälle ausreichend auf
die Handdesinfektion, Grundlage der Hygiene schlechthin, geachtet
werde. Wie es besser gemacht werden kann, zeigen die Niederlande. Dem
berüchtigten Antibiotika-resistenten Keim MRSA, der für etwa zehn
Prozent aller Klinikinfektionen hierzulande verantwortlich gemacht
wird, wird konsequent zu Leibe gerückt. Will sich etwa ein Deutscher
in einer niederländischen Klinik behandeln lassen, muss er sich
zunächst auf MRSA testen lassen. Und er wird isoliert, bis feststeht,
dass er nicht mit MRSA-Keimen verseucht ist. Auch Schwestern und
Ärzte werden regelmäßig getestet. So ist erklärbar, warum die
MRSA-Infektionsrate in Deutschland etwa achtmal höher ist als in den
Niederlanden. Das wissen natürlich auch die Experten in Deutschland.
Und natürlich gibt es auch hierzulande entsprechende Vorschriften.
Nur geschieht die Teilnahme an einem bundesweiten
Überwachungsprogramm zu Krankenhausinfektionen auf freiwilliger
Basis. Und die Festanstellung von Hygiene-Fachpersonal wiederum ist
bislang nur in Berlin, Sachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen und dem
Saarland verbindlich. Denn zuständig für die Krankenhaus-Hygiene sind
die Länder. Dass Bundesgesundheitsminister Rösler zusätzliche
Regelungen für eine bessere Hygiene anstoßen will, ist löblich,
greift aber zu kurz. Die Problematik darf nicht länger Ländersache
sein und schon gar nicht auf Freiwilligkeit basieren. Es mag gut
sein, dass einige Kliniken die tragischen Ereignisse von Mainz zum
Anlass nehmen, ihre Arbeit kritisch zu hinterfragen. Und sicherlich
kostet Krankenhaus-Hygiene erst einmal Geld. Aber die Folgekosten für
die Allgemeinheit sind derzeit ungleich größer. Solange in Kliniken
nicht verbindlich ins Hygienemanagement investiert wird, werden dort
Jahr für Jahr weiter Tausende Menschen unnötig auch an harmlosen
Keimen sterben. Es fehlt der Zwang.
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