Die Stimmung ist besser als die reale Lage. So
urteilen Ökonomen in diesen Tagen über die deutsche Wirtschaft. Den
lebenden Beweis dafür lieferte der zuständige Bundesminister am
Mittwoch bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts. Philipp
Rösler schwärmte von einer „absoluten Erfolgsbilanz“ und davon, dass
es „allen Grund zur Zuversicht“ gebe, wie er überhaupt „absolut
optimistisch für 2013″ sei. Ein bisschen klang es so, als hätte
Rösler damit auch seine eigene Lage als angeschlagener Chef einer
notorisch schwindsüchtigen FDP im Blick gehabt. Sei–s drum. Was die
deutsche Wirtschaft angeht, so sind die meisten Kennziffern in der
Tat zwar ermutigend. Rekordbeschäftigung, sprudelnde Steuereinnahmen
und glänzende Exporte, um nur einige wenige zu nennen. Allerdings ist
auch die Gefahr groß, sich davon blenden zu lassen. Denn das geht
ebenfalls aus dem aktuellen Jahreswirtschaftsbericht der Regierung
hervor: Die Konjunktur schwächt sich deutlich ab. Auch wenn Rösler
dies nur als vorübergehende Erscheinung betrachtet, die Zeichen
stehen eher auf Rezession. Und Deutschland ist dank dieser
Bundesregierung nur halbherzig darauf vorbereitet. Beispiel Haushalt:
Angesichts der hervorragenden binnenwirtschaftlichen
Rahmenbedingungen muss die Frage erlaubt sein, warum sich der Bund im
Vorjahr trotzdem noch fast 23 Milliarden Euro bei den Banken geborgt
hat, um seine Ausgaben zu finanzieren. Die viel beschworene
Haushaltskonsolidierung basiert eben nicht auf Einsparungen, die im
Vorgriff auf schlechtere Zeiten nötig gewesen wären, sondern auf
deutlichen Mehreinnahmen, die der unerwartet starke Aufschwung dem
Fiskus bescherte. Beispiel Binnenkonjunktur: Die Krise vor allem in
den südlichen Euro-Staaten macht der deutschen Exportwirtschaft
zunehmend zu schaffen. Umso wichtiger wird jetzt die Kauflaune im
eigenen Land. Gewiss, durch die deutliche Senkung des Rentenbeitrags
haben viele Menschen etwas mehr Geld in der Tasche. Doch das reicht
nicht aus, um die Binnenkonjunktur nennenswert anzukurbeln. Eine
weitere Möglichkeit wären flächendeckende Mindestlöhne, die
inzwischen sogar die Union anstrebt, aber die FDP nach wie vor aus
ideologischen Gründen ablehnt. Der latente Streit und das
wechselseitige Misstrauen sind der Grund dafür, dass diese
schwarz-gelbe Koalition so unbeliebt ist und ihr im Herbst die Abwahl
droht. Sollte sich die wirtschaftliche Verfassung bis dahin wirklich
spürbar verschlechtern, bekäme die Regierung ein ernsthaftes Problem.
Für Philipp Rösler schlägt die persönliche Stunde der Wahrheit
freilich schon am kommenden Sonntag, wenn in Niedersachsen ein neuer
Landtag gewählt wird. Bleibt abzuwarten, ob seine Stimmung dann immer
noch besser ist als die Lage.
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