Für den deutschen Außenminister Guido Westerwelle
ist Kairo derzeit der sicherste Ort. In der Stadt am Nil kann er die
Illusion pflegen, sein Einsatz sei noch von Bedeutung im Konzert der
Nationen. Tatsächlich aber ist die deutsche Außenpolitik seit einigen
Monaten in quälender Geiselhaft. Der innenpolitischen
Überlebensstrategie einer nur noch beschränkt handlungsfähigen
Regierung geschuldet, geht das Land genau jenen Sonderweg, vor dem
jeder erfahrene Außenpolitiker warnt, und isoliert sich von seinen
engsten Verbündeten. Nachkriegsdeutschland pflegte bislang seine
Politik in Abstimmung mit Paris und Washington auszurichten. In
Zeiten, in denen es mit dem einen der beiden Partner Probleme gab,
war wenigstens der andere ein verlässlicher Weggefährte. Dass unser
Land nach der Katastrophe der nationalsozialistischen Diktatur
überhaupt wieder zurückfand in die Völkergemeinschaft, verdankte es
ja auch im globalen Maßstab den USA und auf europäischer Ebene
Frankreich. Jetzt aber erleben wir erstmals eine Situation, in der
sich die deutsche Politik abgekoppelt hat von beiden früheren
Schutzmächten. Eine Situation, in der die Bundesrepublik zwar nicht
allein auf weiter Flur, aber in fragwürdiger Gesellschaft agiert.
Dies hat weitreichende, in Deutschland noch nicht hinreichend
beachtete Konsequenzen. In Frankreich, in den USA und Großbritannien
sind die Kommentare, in denen sich Enttäuschung und Verachtung
spiegeln, unüberhörbar und sie kommen ganz undiplomatisch auch von
offizieller Seite. Zu dem außenpolitischen Schaden gesellt sich die
innenpolitische Verwirrung. Westerwelle und auch die Bundeskanzlerin
haben damit spekuliert, dass ein Teil der Wählerschaft die Politik
der Enthaltung mit Beifall quittiert. Es gibt in der Mitte der
Gesellschaft eine verständliche Kriegsmüdigkeit, zumal nach den
schmerzlichen Erfahrungen in Afghanistan. Aber es gibt auch
Zeitgenossen, die die Westbindung der Bundesrepublik insgesamt
ablehnen und im politischen Spektrum reicht diese Ablehnungsfront von
weit rechts bis Linksaußen. In der Regel ist dergleichen verbunden
mit einem tiefen Misstrauen gegen das politische System überhaupt.
Davon aber kann sich diese Bundesregierung mit ihrem Schlingerkurs
nicht hinreichend abgrenzen. Sie ist zunächst international und jetzt
auch zu Hause in einem Niemandsland gelandet. Nicht nur ihr
Außenminister und ihre Außenpolitik, die Grundausrichtung der Politik
insgesamt droht eine Verlegenheitslösung ohne Substanz und Bestand zu
werden.
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