Es ist schon erstaunlich: Der Mindestlohn in
Deutschland ist gerade einmal seit fünf Wochen in Kraft. Aber
vorgeblich seriöse Wirtschaftswissenschaftler wissen schon ganz
genau, dass die Lohnuntergrenze von 8,50 Euro in diesem Jahr zu
zusätzlicher Schwarzarbeit im Umfang von 1,5 Milliarden Euro führen
wird. Ein Schelm, wer da an eine Gefälligkeitsarbeit zugunsten aller
Mindestlohn-Gegner denkt. Nun praktizieren bekanntlich andere
europäische Länder wie Großbritannien oder die Niederlande schon seit
langer Zeit ein Mindestmaß an stündlicher Vergütung. Dass diese
Länder deshalb in einer Schattenökonomie versunken wären, ist nicht
überliefert. Fest steht, dass der Arbeitslohn nicht nur eine
wirtschaftliche, sondern eine soziale Funktion hat. Schon als die
rot-grüne Bundesregierung zu Beginn des neuen Jahrtausends die
Verkrustungen des deutschen Arbeitsmarktes aufbrach, hätte es eines
Mindestlohns zum Ausgleich der damals notwendigen Deregulierung
bedurft. Weil das unterblieb, sank die Bezahlung in manchen Branchen
immer stärker auf Dumpingniveau. Deshalb war eine Auffanglinie
überfällig. Übrigens: Wer die Schattenwirtschaft im Zusammenhang mit
dem Mindestlohn beklagt, der müsste sich erst recht für dessen
wirksame Kontrolle einsetzen. Schließlich bremst das auch die
Versuchung zum Schummeln. Mag sein, dass Arbeitsministerin Andrea
Nahles mit ihren Prüfvorgaben zum Teil übers Ziel hinaus geschossen
ist. Aber die Einhaltung des Mindestlohns unter dem Deckmantel der
Entbürokratisierung praktisch dem Selbstlauf zu überlassen, wie es
Teile der Union am liebsten hätten, würde dessen massive Aushebelung
bedeuten. Womöglich gäbe es dann weniger Schwarzarbeit, dafür aber
mehr sozialen Unfrieden. Und das kann niemand wollen.
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