Englischkurse und Ballett für Dreijährige, Klavier
und Tennis ab vier. Zu den gefühlten und umso manifesteren Wahrheiten
unserer Epoche zählt, dass man nicht früh genug anfangen kann mit der
Bildung – und dass so frühes Streben zwangsläufig in Traumkarrieren
und eine herrliche Zukunft münden. Wieso eigentlich sind Freiheit und
Unbeschwertheit so komplett aus unserem Wertekanon herausgefallen?
Sind die Jahre zwischen der ersten Windel und der ersten
Klassenarbeit am Ende nichts als Zeitverschwendung? Psychologen geben
längst das Signal zum Innehalten. Rumtoben, albern sein, in einer
Pfütze stehend über das Universum nachdenken, all das ist Bildung.
Bildung, die Spaß macht statt Depressionen, weil die Natur genau
solche Entdeckungen für diesen Lebensabschnitt vorgesehen hat. Am
allerbesten, wenn Eltern diesen Spaß teilen. Das Vorlesen ist eines
der besten Angebote, die man einem Kind überhaupt machen kann.
Kostenneutral obendrein. Kuscheln, hören, lernen, genießen – alles
wird eins. Selbst wer den Text noch gar nicht kapiert, versteht so,
dass Bücher Welten eröffnen. Der versteht auch, dass Mami, Papa, Opa
mit ihrer Stimme zu zaubern vermögen, so wie später vielleicht
richtig gute Musik- oder Theaterabende. Wer mal öffentlich vorlesen
durfte, der wird vielleicht feststellen, dass außer den Kleinen sich
bald viele ganz Alte um den Leser scharen. Vorlesen schafft ein
Bündnis. Vorlesen ist eine gutes Antidepressivum. „Ich schenk dir
eine Geschichte“, treffender könnte so ein Urerlebnis gar nicht
heißen. Für Hunderttausende Kinder gibt es das Geschenk einmal im
Jahr in ihrer Klasse. Für viele mehr hoffentlich ab und zu abends
unter der Bettdecke.
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