Was vor wenigen Monaten in Polen noch undenkbar
schien, ist jetzt längst nicht mehr ausgeschlossen. Die Ära der
Gebrüder Kaczynski ist noch nicht zu Ende. Paradoxerweise hat der
tragische Tod des einen Zwillings seinen Bruder Jaroslaw ganz
unerwartet in eine Position gebracht, aus der heraus er Bronislaw
Komorowski, den Präsidentschaftskandidaten der Regierungskoalition,
ernsthaft gefährden kann. Dies wird so manchen beunruhigen, der
Jaroslaw Kaczynski in seinem Amt als Regierungschef noch als stetigen
Bremser in Sachen Europa und als Politiker mit erkennbaren
Abneigungen gegen Deutschland in Erinnerung hat. Und beunruhigend am
Ausgang des ersten Urnengangs, bei dem Kaczynski den Einzug in die
Stichwahl schaffte, ist auch die Tatsache, dass er seine Stimmen vor
allem im Ostteil des Landes holen konnte. Dort ist die
Unzufriedenheit ob der Folgen des schnellen Wandels der polnischen
Gesellschaft am größten. Profitiert hat er allerdings vor allem von
dem Mitleid, das viele Polen mit ihm und seiner ganzen Familie
empfinden. Droht Polen also mit dieser Präsidentschaftsentscheidung
wieder zum unsicheren Partner zu werden für alle, die auf die weitere
Integration der Nationen des Kontinents setzen? Da müsste zunächst
einmal der Vorsprung, den der Liberale Komorowski derzeit noch hat,
zusammenschmelzen. Und selbst bei der Wahl Kaczynskis würde dann ein
Mann sein Amt antreten, der nach dem Brudertod ganz neue, viel
versöhnlichere Töne angeschlagen hat. Sein Erfolg wäre allerdings
dennoch ein widersinniger Akt. Denn kein anderes EU-Land ist derzeit
so gut aufgestellt wie der Nachbar jenseits von Oder und Neiße. Die
Regierung kann eine eindrucksvolle Erfolgsbilanz aufweisen. Da sollte
es ihr auch gelingen, ihren Kandidaten zum Präsidenten zu machen.
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