Eine Ära geht zu Ende. Das zweite Kapitel der
Nachwende-Geschichte Brandenburgs ist geschlossen, die ersten Sätze
des dritten werden in diesen Tagen geschrieben. Heute gibt der dritte
Nachwende-Ministerpräsident seine erste Regierungserklärung ab. Auf
was kann Dietmar Woidke aufbauen? Was kann er besser machen? In der
Zeit unter Platzeck hat sich das Land gut entwickelt, allerdings
nicht nur aufgrund, sondern auch trotz der Landespolitik. Unter
Platzecks Führung war vor allem die jetzige rot-rote Landesregierung
doch sehr darauf bedacht, sich als Vertreter eines allumfassend
fürsorglichen Staates zu präsentieren, dem der kleine Brandenburger
Weltfrieden stets wichtiger war als das Streben nach einer
außergewöhnlichen und risikofreudigen Entwicklung. Das Ziel, sich
einem Rundum-Sorglos-Staat anzunähern, hatte in der Landespolitik
deutliche Priorität, die Förderung von Leistung, Eigeninitiative und
individuellem Verantwortungsbewusstsein hingegen einen niedrigen
Stellenwert. Das macht sich zum Beispiel in der Bildungs- und
Wissenschaftspolitik bemerkbar. Zwar ist es Platzeck fast immer
gelungen, dass ihm die Fehler der jeweiligen Ministerien nicht selbst
angekreidet wurden. Die Verantwortung trägt er als Regierungschef
trotzdem. Der jüngste Bildungsfinanzbericht deckt beispielsweise eine
der Schwächen auf: Brandenburg gehört zu den Schlusslichtern in
Deutschland, wenn es um Ausgaben für Lehre und Forschung geht. Dazu
eine verkorkste Unifusion in der Lausitz, die denkbar schlecht
eingefädelt worden war und zu einem unfassbaren Vertrauensverlust in
der akademischen Jugend führte. Tradition hat auch das Leid im
Schulbereich. In den vergangenen Jahren gab es eigentlich nur ein
einziges Schlüsselwort zum Thema Schule: Inklusion.
Selbstverständlich gehört die Integration behinderter Kinder zu den
wesentlichen Themen in einem reichen und fortschrittlichen Land –
aber es darf doch nicht so gut wie das einzige sein. Liest man sich
die Reden des Ministerpräsidenten und seiner Bildungsministerin aus
der jüngsten Vergangenheit durch, ist augenfällig, dass ein Wort wie
„Leistung“ so gut wie gar nicht auftaucht. Platzecks Beliebtheit und
seine hohe Authentizität hat viele Unzulänglichkeiten überdeckt. Auch
wenn Woidke (noch) nicht ganz so volksnah wirkt wie Platzeck, hat er
durchaus das Zeug, als Person die Akzeptanz der Bevölkerung zu
gewinnen. Denn ähnlich wie Platzeck ist er ein geerdeter Typ, der die
Sorgen und Nöte jenseits des parlamentarischen Politikbetriebs aus
seiner Zeit als Kommunalpolitiker sehr gut kennt. Gemessen werden
muss er aber an seiner Politik. Problemfelder gibt es mehr als genug.
Woidke hat jetzt ein Jahr Zeit, eine gute Figur zu machen und
möglichst skandalfrei in die Wahlen 2014 zu kommen. Die SPD ist
traditionell stark in Brandenburg. Gewinnt er die Wahl – die
Aussichten sind gut -, dürfte er in der luxuriösen Lage sein, sich
den Koalitionspartner auszusuchen. Wenn es gut läuft, treffen 2015
die ersten wirtschaftlichen Effekte ein, was Brandenburgs Ökonomie
und somit auch seine Regierung stärkt. Auch wenn das Platzeck-Erbe
durchwachsen ist, sind die Voraussetzungen gut für Woidke, über eine
längere Phase regieren zu können. Sollte er 2014 eine starke Mehrheit
und eine handlungswillige Regierung zusammenbekommen, bietet sich ihm
die Chance, das Brandenburger Dilemma – viel Sinn für Staat und wenig
für unternehmerische Initiativkraft – zu durchbrechen. Ein solch
großes Ziel im Auge, müssten ihm die großen Fußspuren der Vorgänger
keine Bange machen.
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