Lausitzer Rundschau: Solidarität und Anstrengung Zu den Protesten in Südeuropa

Was ist das richtige Verhältnis zwischen
Solidarität und Anstrengung, das Bundeskanzlerin Angela Merkel gerade
von den europäischen Krisenländern gefordert hat? Die Sichtweise
darauf ist sehr unterschiedlich. Global betrachtet ist Merkels
Position völlig richtig, dass diese Länder schnell leistungsfähiger
werden müssen. Dass sie weniger auf Geldausgeben und -verteilen
setzen sollten, sondern mehr auf Geldverdienen. Sonst sind alle
Rettungsmilliarden verpulvert. Es gibt aber auch eine andere Ebene,
die zumindest nach Verständnis für den Aufruhr ruft, der sich am
Mittwoch in den Streiks in Spanien, Italien und Portugal zeigte. Die
individuelle. Wenn 50 Prozent der jungen Menschen keinen Job kriegen,
wenn die Alten wehrlos hinnehmen müssen, dass ihre Renten
zusammengestrichen werden, wenn niemand sein Leben mehr planen kann,
dann sind Wut und Verzweiflung nicht weit. Zumal, auch das hätte
Angela Merkel zum Thema Solidarität und Anstrengung sagen können, in
den betroffenen Ländern längst nicht alle Steuern zahlen und längst
nicht alle von der Krise erfasst sind. Nämlich nicht die Reichen.
Deutschland, Angela Merkel persönlich, hat eine gehörige Portion
Mitverantwortung für den Reformdruck, der derzeit auf den
Krisenstaaten lastet – und damit auch für die individuellen Folgen.
Vor zehn Jahren noch waren wir der kranke Mann Europas. Damals
protestierten hierzulande die Menschen gegen die Veränderungen der
Agenda 2010. Wir sollten daher heute etwas demütiger und mitfühlender
mit den zornigen Südeuropäern sein. Und vielleicht ab und an außer
Reformen auch eine gerechtere Verteilung der Lasten fordern.

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