Von einer akuten Regierungskrise ist nichts
bekannt, Neuwahlen stehen auch nicht an. Wenn die Oppositionspartei
SPD trotzdem schon jetzt ein Papier diskutiert, das in Länge und Stil
einem Regierungsprogramm gleicht, dann kann das nur einen Grund
haben: Selbstbeschäftigung. Vielleicht auch Selbstvergewisserung. In
jedem Fall etwas Internes. 2010 haben die Sozialdemokraten damit
verbracht, die schwer verdaulichen Teile ihrer Regierungszeit, vor
allem Hartz IV und die Rente mit 67, immer neu durchzuwalken. Wie
politische Wiederkäuer. Aber eine Botschaft nach vorn hatte man
deshalb noch nicht, und die braucht man vor sieben wichtigen
Landtagswahlen. Deshalb jetzt dieses Programm mit dem gewaltigen
Titel „Neuer Fortschritt und mehr Demokratie“. Allerdings unterliegt
das Papier dem üblichen sozialdemokratischen Missverständnis, wonach
die Wählergunst zunimmt, je mehr gedankenschwerer Text geschrieben
und je intensiver er intern diskutiert wird. Warum können sie nicht
in ein paar einfachen Sätzen sagen, was sie wollen und was nicht?
Weil sie sich nicht einig sind. Oder weil eine Aussage riskant wäre.
Meist ist beides der Grund. Weit mehr noch als über Programme
identifizieren die Wähler Parteien über Personen. Aber die
Chef-Frage, die jede Partei vor einem solchen Superwahljahr klären
sollte und mit Ausnahme der Linken auch geklärt hat, haben die
Sozialdemokraten peinlichst vermieden. Ansonsten müssten sie sich
entscheiden und bekämen noch mehr internen Streit, der jetzt so
hübsch verdeckt ist zwischen Frank-Walter Steinmeier und Sigmar
Gabriel. Und ebenfalls weit mehr als über Programme erkennen die
Wähler anhand ihrer Koalitionsabsichten, wohin eine Partei will. In
den Ländern, wo jetzt gewählt wird, aber ist seitens der SPD alles
möglich, von rechts bis ganz links. So zeigt die diesjährige
Neujahrsklausur der SPD, dass die größte Oppositionspartei immer noch
nicht so weit ist, um Schwarz-Gelb aktiv herauszufordern, gar
machtvoll in die Defensive zu drängen. Angesichts der schwachen
Vorstellung der Regierungskoalition ist das keine gute Leistung. Die
SPD hofft auf die lokale Gunst der Stunde, die ihr in Hamburg gewährt
werden dürfte. Auf die Verdrossenheit, die bei den Wählern der
Regierungsparteien in Baden-Württemberg besonders ausgeprägt sein
könnte. Auf die Fehler der Gegner, die in Rheinland-Pfalz als
CDU-Spendenaffäre daherkommen. Sie will abstauben im Strafraum und
sich selbst so wenig wie möglich bewegen. Diese Strategie kann
klappen. Muss aber nicht.
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