Es offenbart eine bemerkenswerte
Kaltschnäuzigkeit, wenn regierende Politiker wieder und wieder den
Eindruck zu erwecken versuchen, sie wüssten besser als alle anderen,
was die Menschen in ihrem Lande wollten und wie die Politik zu ihnen
einen Zugang finde. Insbesondere in manchen ostdeutschen
Landeshauptstädten sollten sich die Regierungschefs deswegen noch
einmal sehr genau die Vorgänge ansehen, die jetzt dazu führten, dass
der Stuttgarter Ministerpräsident im Bangen um seine Wiederwahl auf
einen Moderator zur Konfliktbewältigung setzt. In Dresden wie in
Potsdam wird dagegen leider derzeit allzu oft nach der Methode
regiert, dass jede oppositionelle Regung einer Majestätsbeleidigung
gleichkommen könnte. Jüngstes Beispiel dafür ist die Bilanz des
ersten Jahres rot-roter Koalition in Potsdam. Matthias Platzeck kann
sich zwar nicht nur bei den vergangenen Landtagswahlen, sondern auch
in jüngsten Umfragen auf eine bemerkenswerte Mehrheit der
Brandenburger stützen. Und er kann sich auch darauf verlassen, dass
ihm seine Landsleute nach wie vor mit einem gehörigen
Vertrauensvorschuss begegnen. Aber dies allein rechtfertigt nicht die
Art und Weise, mit der der Potsdamer Regierungschef alle drei
Parteien gleichermaßen abkanzelt, die derzeit die Opposition bilden.
Verständlich wird diese Schelte allenfalls auf dem Hintergrund der
offenkundig skandalösen Vorgänge, auf die Platzeck derzeit keine
Antwort findet und die jetzt in einem Untersuchungsausschuss des
Landtags zur Sprache kommen. Denn der jüngste Bericht des
Landesrechnungshofs zur Handhabung eines Grundstücksverkaufes durch
das SPD-geführte Finanzministerium liest sich ja wie eine geradezu
exemplarische Aufzählung von inkompetentem Regierungshandeln. Und
offen sind auch nach wie vor die Fragen nach dem angeblich privaten
Verhalten seines Weggefährten Rainer Speer. Da steht weiterhin der
Vorwurf der möglicherweise ungerechtfertigten Inanspruchnahme
öffentlicher Kassen im Raum. Darauf jetzt mit einer Abqualifizierung
des politischen Gegners zu reagieren, wird Platzeck vielleicht
kurzfristig etwas Luft verschaffen. Dabei hatte die Potsdamer
Opposition die Vorwürfe, die jetzt zu klären sind, noch nicht einmal
selbst erhoben. Die Brandenburger wie auch die Sachsen mögen
unnötigen Streit verabscheuen – aber sie werden sich auf Dauer nicht
damit abspeisen lassen, dass ihre seit 20 Jahren regierende Partei
über jede Form der Kritik erhaben ist.
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