Lausitzer Rundschau: Urteilüber einen Bluff – Verfassungsgericht stützt Krisenkurs der EZB

So wie einst Angela Merkel und Peer Steinbrück die
verunsicherten Sparer beruhigten, als sie auf dem Höhepunkt der
Finanzkrise 2008 eine Garantie für alle Einlagen abgaben, so hat auch
2012 das Versprechen der EZB gewirkt, Schuldenländern zur Not so
viele Staatsanleihen abzukaufen, wie sie brauchen, um liquide zu
bleiben. Das war die Bazooka, die Superwaffe des EZB-Präsidenten
Mario Draghi, nach der viele damals gerufen hatten. Es ging in dem
einen wie dem anderen Fall um Psychologie. Angewandt worden sind
beide Garantien nie, aber sie haben verhindert, dass es zur ganz
großen Panik an den Märkten und zu Staatspleiten kam. Schon hinter
Merkels damaligem Versprechen stand in der Realität keine Substanz –
im Zweifel hätte die Bundesrepublik Deutschland gar nicht alle Sparer
auszahlen können. Es war ein Bluff. Bei Draghis bis heute geltender
Ankündigung zum unbegrenzten Anleihekauf ist es kaum anders. Denn das
Geschütz ist mit fremdem Geld geladen, auch mit deutschem. Die
Bundesbank ist mit 27 Prozent an der EZB beteiligt, entsprechend auch
an möglichen Kreditausfällen. Es war eine berechtigte Frage, ob die
Euro-Bank überhaupt in diese Munitionskiste greifen dürfte. Wenn
nicht, wäre das Instrument weniger durchschlagend als ein Luftgewehr,
der Bluff wäre geplatzt. Das deutsche Verfassungsgericht hat sich
nun im Kern dem Spruch des Europäischen Gerichtshofes unterworfen,
der das Instrument zugelassen hatte, und zudem einige Bedingungen
formuliert. Ein weiser Entschluss, aber auch ein gefährlicher. Jedes
andere Urteil hätte sofort große Turbulenzen ausgelöst, denn die
Schuldenländer, allen voran Griechenland, sind noch längst nicht über
den Berg. Und ohne Draghis Garantie wäre schlagartig die Deckung
entfallen. Die Kehrseite des Urteils ist freilich: Das Risiko für die
deutschen Steuerzahler bleibt. Das Urteil macht noch etwas anderes
deutlich: Mit der gemeinsamen Währung Euro haben die Teilnehmerländer
ein Stück ihrer Souveränität an die unabhängige EZB abgegeben. Das
ist nicht mehr rückholbar, auch nicht auf juristischem Weg. Aber das
ist nur logisch. Man kann nicht in einer Gemeinschaftswährung sein
und voll souveräner Nationalstaat bleiben. Umso wichtiger ist es,
gegenüber den Schuldenländern auf die genaue Einhaltung der
Vereinbarungen zu pochen und zugleich schnellstmöglich eine
gemeinsame Wirtschaftspolitik in Europa hinzubekommen, die auf
Wachstum und finanzielle Solidität setzt. Denn der mögliche Zugriff
Fremder auf das eigene Volksvermögen ist genau der Stoff, von dem
nationalpopulistische Bewegungen leben.

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