Eine beliebte, gemeinhin schmerzlindernd gemeinte
Formel bei Trennungen lautet, dass man doch gute Freunde bleiben
könne. Die Türkei hat das Wort von der „privilegierten Partnerschaft“
zu Recht immer ganz ähnlich empfunden. Das Versprechen sollte die
einfache Wahrheit überdecken, dass man sie in der EU nicht wollte.
Angela Merkel, eine Miterfinderin dieser verklausulierten Abweisung,
hat den Begriff bei ihrem gestrigen Türkeibesuch nicht mehr in den
Vordergrund geschoben. Und in der CDU daheim wird er inzwischen offen
in Frage gestellt. Der Grund dafür ist einfach: Für Europa ist der
potentielle Partner Türkei ökonomisch immer attraktiver geworden.
Hinzu kommen geostrategische und regionalpolitische Gründe. Die
Türkei ist eine Macht am Mittelmeer und das einzige islamische Land,
das sich nach Europa orientiert. Noch. Beide Seiten nähern sich nun
dem Punkt, an dem sie ehrlich sagen müssen, was sie wollen:
Miteinander oder nicht? Für Europa bedeutet das übrigens nicht, dass
man nun den Türken auf Knien hinterher rutschen müsste. Die Kriterien
für eine Aufnahme in die EU müssen für alle gelten: Rechtsstaat,
Meinungs- und Religionsfreiheit, Demokratie. Sonst macht die Sache
sowieso keinen Sinn. Die neue Entwicklung bedeutet allerdings, dass
man künftig das Ziel anders benennt. Statt privilegierte
Partnerschaft muss es nun heißen: Wir wünschen euren Beitritt von
Herzen und werden alles tun, damit ihr die Bedingungen erfüllen
könnt. Diese Tonlage konnte Angela Merkel bei diesem Besuch freilich
noch nicht über die Lippen kommen. Das wäre vor der Wahl doch eine zu
abrupte Wende gewesen.
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